Arbeitslehre

Produktions- und Verkaufsprojekte




























Projekt: Lederarbeiten

Manfred Huth / Birgit Rinke
In: Die Arbeitslehre 3/1979, S. 147 - 162.

1. Lernziele

Es ist uns klar, daß die durch das Projekt eingeleiteten Lernprozesse nicht zur vollständigen Realisierung der hier aufgestellten Lernziele führen können. Sie werden nur als Schritte auf dem Weg zu einem angestrebten Endverhalten verstanden. Außerdem sind die Lernziele nur schwer zu überprüfen, da sie zu einem großen Teil die emotionale Ebene miteinbeziehen oder auf ein wünschenswertes Endverhalten abzielen, daß erst nach der Schule in der Betriebspraxis zu überprüfen ist, wo im Unterricht angestrebte Verhaltensmodifikationen sich im Ernstfall in Handlungsstrategien umsetzen sollten.

Ziele des Projektunterrichts im Rahmen der Arbeitslehre:

  1. Hilfe für Berufswahlentscheidung und Berufsleben geben.
  2. Jugendliche befähigen, nachzudenken über die Faktoren der sie umgebenden gesellschaftlich-wirtschaftlichen Ordnung sowie zur Mitarbeit an konstruktiven Veränderungen anregen.

Übergeordnete Ziele des Werk- und Verkaufsprojekts:

  1. 1. Die Schüler sollen einen Einblick in das Arbeiten und Wirtschaften im Betrieb erhalten,
  2. 2. Die Schüler sollen einige wesentliche Faktoren der Arbeitsplatzsituation eines Arbeiters in der Fließfertigung (Spezialisierung, Monotonie, Konflikte) kennenlernen, durch

Nach speziellerer inhaltlicher Planung können Feinlernziele formuliert werden:

Feinlernziele:

Durch die Arbeit im Modellbetrieb sollen die Schüler

2. Durchführung des Werk- und Verkaufsprojektes

2.1 Phase der Bedürfnisentwicklung und Zielentscheidung (1-2 Std.)

Material:
Vorschlagliste für mögliche Produkte die in Serienproduktion hergestellt werden können (M 1).

Diese Phase sollte etwa 2 Wochen vor Projektbeginn liegen, da dieser Zeitraum für Vorbereitungs- und Organisationsarbeiten unbedingt notwendig ist.


2.2 Planungsphase (4-5 Std.)

2.2.1 Planung mit den Schülern

Lernziele:

  1. Die Schüler sollen lernen, den funktionalen Ablauf der Produktion und des Verkaufs zu planen.

Stundenablauf:

  1. Welche Gegenstände aus Leder können wir produzieren- (An der Tafel sammeln.)
  2. Kriterien für die Auswahl der zu produzierenden Gegenstände aus der Sammlung an der Tafel werden mit den Schülern erarbeitet:
  3. Auswahl aus den Vorschlägen an der Tafel durch die Schüler unter Berücksichtigung der erarbeiteten Gesichtspunkte (bei uns: Gürtel, Armbänder, Uhrenarmbänder, Tabaksbeutel, Federtaschen, Knautschtiere).
  4. Einteilung in Produktionsgruppen nach den Wünschen der Schüler und nach der Anzahl der notwendigen Arbeitsgänge für das jeweilige Produkt.
  5. Einteilung einer Schülergruppe, die sich für Werbung und Verkauf verantwortlich zeigt.
  6. Sammeln von Punkten, die für die Durchführung der Produktion wichtig sind:
  7. Fragen, die die Schüler in den eingeteilten Produktionsgruppen klären müssen:
  8. Im Plenum:


2.2.2 Planung durch den Lehrer

Wir werden im folgenden so vorgehen, daß wir zuerst unsere Verlaufs-Planung für die Produktions- und Verkaufsphase beschreiben und dann unsere Planung dem tatsächlichen Verlauf schematisch gegenüberstellen.

Planung der Produktions- und Verkaufsphase durch die Lehrer
Die Produktion sollte von Montag bis Mittwoch dauern. Am Donnerstag sollten dann nur noch die letzten Vorbereitungen für den Verkauf getroffen und Ausbesserungs- bzw. Verschönerungsarbeiten ausgeführt werden. Der Verkauf sollte in den beiden großen Pausen auf dem Schulhof stattfinden.

Montag:
Am Montag wollten wir uns den Schülern zunächst als Chef und Meister vorstellen. Danach sollten die Arbeitsverträge von den Schülern unterschrieben und die Tische und Stühle wie geplant angeordnet werden. Dann wollten wir mit den Schülern die Musterstücke besprechen. Nach Klärung aller Probleme bezüglich der Herstellung der Gegenstände sollte der Meister die Schüler noch auf die Notwendigkeit hinweisen, Pappschablonen nach den Entwürfen anzufertigen, damit die Zuschneider genau und rationell arbeiten könnten.
Nachdem jede Gruppe Pappunterlagen für die Tische, ein Stück Pappkarton für die Schablone und das benötigte Herstellungsmaterial erhalten hätte, würde der Meister die Stückzahlen, die von der Planung der Schüler abwichen, vorgeben. Danach könnte mit der Produktion begonnen werden, wobei der Meister kontrollieren müßte, ob die festgelegte Arbeitssehrittaufschlüsselung eingehalten würde und falls ja, ob sie sinnvoll oder unrationell wäre, so daß er Umbesetzungen vornehmen müßte. In den Pausen sollten die Schüler den Arbeitsplatz verlassen dürfen, in den großen Pausen auch den Klassenraum.
Die Werbe- und Verkaufsgruppe sollte einen kleinen spannenden Werbetext entwerfen und diesen vervielfältigen und als Handzettel in den großen Pausen auf dem Schulhof verteilen.
Wir mußten damit rechnen, daß die Tabaksbeutelgruppe Schwierigkeiten beim Nähen haben würde. Die Gruppe müßte deshalb schwerpunktmäßig beobachtet werden, um Verschnitt zu vermeiden und rechtzeitig die Produktion auf ein einfacher herzustellendes Produkt (Portemonnaies) umstellen zu können.
Eine halbe Stunde vor Ende der 5. Stunde sollten die Schüler mit dem Aufräumen ihrer Arbeitsplätze beginnen. Die fertigen Stücke und das Material sollten im Büro abgegeben werden.
Dienstag und Mittwoch sollte die Produktion fortgeführt werden, wobei auf das Erreichen der vorgegebenen Stückzahl zu achten sein würde.

Dienstag:
Am Dienstag sollte der Vorarbeiter bestimmt werden, der einen neuen Arbeitsvertrag mit höherer Lohnfestsetzung erhalten sollte (30 Dpf.). Die Werbegruppe sollte weitere Werbetexte anfertigen und verteilen und auch Werbeplakate entwerfen.

Mittwoch:
Spätestens Mittwoch würden wahrscheinlich Umbesetzungen der Gruppen vorgenommen werden müssen, um einerseits Leerlauf zu verhindern und andererseits Gruppen, die mit ihrer Stückzahl ins Hintertreffen geraten wären, zu unterstützen. Ebenso rechneten wir bis spätestens Mittwoch mit Konflikten bezüglich der Lohnunterschiede zwischen ,Frauen' und ‚Männern' und zwischen Arbeitern und Vorarbeiter. Auf dem Schulhof sollte weiter geworben werden, und in der großen Pause eine Probeausstellung von einigen Musterexemplaren stattfinden, um für den Verkauf am nächsten Tag zu werben.

Donnerstag:
Am Donnerstag sollten alle schwerpunktmäßig den Verkauf vorbereiten, z. B. fertige Stücke kontrollieren und gegebenenfalls ausbessern, vervollständigen oder verzieren, zurückstehende Gruppen bei der Produktion unterstützen. Preise festsetzen (nach kalkuliertem Preis, Verarbeitung und ästhetischem Eindruck) und Preisschilder beschriften und aufkleben.
Die beiden Mitglieder der Werbe- und Verkaufsgruppe sollten den Stand auf dem Schulhof aufbauen (aus Schultischen) und für den Verkauf verantwortlich sein, wobei sie Unterstützung von den anderen erhalten sollten.
Genauer ließen sich die Tage Dienstag bis Donnerstag hier nicht planen. Die Planung für den nächsten Tag ist immer vom Ergebnis, den Schwierigkeiten, Neuerungen und Erfahrungen des Vortages abhängig.
Auch die Auswertung des Projekts mit den Schülern nach dem Verkauf am Donnerstag und in der folgenden Woche konnte erst am Mittwoch und Donnerstag vorbereitet werden, da sie von den Ergebnissen der Produktions- und Verkaufsphase abhängig war. Vorher konnten wir nur planen, die Auswertung am Donnerstag mit einer Betriebsversammlung zu beginnen, deren Tagesordnung aber noch nicht endgültig festgelegt werden konnte. Als mögliche Punkte stellten wir uns vor

In der folgenden Woche sollte dann besprochen werden, wie die Schüler die Arbeit empfunden hätten, ob sie Spaß daran gehabt hätten oder nicht und aus welchen Gründen, welche Kritik sie am Projekt hätten, welchen Sinn ein solches Projekt überhaupt habe, was die Schüler selbst meinten, gelernt zu haben und was man das nächste Mal anders machen müßte.

Planung und tatsächlicher Verlauf der Produktions- und Verkaufsphase - schematische Gegenüberstellung

Montag
Vorstellung von Chef und Meister; Ausfüllen der Arbeitsverträge; Umgestaltung des Klassenraums; Besprechen der Musterstücke; Beginn der Produktion in den Gruppen; Bestimmung von Lochern und Nietern; Herstellung von Werbezetteln und Verteilen auf dem Schulhof (Werbegruppe); evtl. bei Tabaksbeutel-Gruppe Umstellung auf Portemonnaies.
Montag
wie Planung; Beschwerde von Schülerinnen über den niedrigeren Lohn der Mädchen; Wahl eines Betriebsrats; Betriebsrat kann die Forderung nach gleichem Lohn nicht beim Chef durchsetzen; Tabaksbeutel-Gruppe wird auf Portemonnaies umgestellt; Armbänder-Gruppe ist bereits fast fertig und überbesetzt; 2 Mitglieder der Gruppe gehen zur Tabaksbeutel-Portemonnaie-Gruppe; Arbeitsunlust gegen Ende; Aufräumen klappt nicht; Gürtelgruppe hat nur 4 Gürtel produziert.
Dienstag
Fortsetzung der Produktion; Bestimmung eines Vorarbeiters; Werbegruppe entwirft und verteilt neuen Text.
Dienstag
Umbesetzung der Gruppen zur Vermeidung von Leerlauf und zur Unterstützung schwacher Gruppen; trotzdem teilweise Leerlauf und laufende Umbesetzung der Gruppen; Vorarbeiter gibt Vertrag zurück, weit er die Konflikte mit den "Kollegen" nicht aushält; Streik für gleichen Lohn von Mädchen und jungen und allmeine Lohnerhöhung; Ergebnis: Frauen bekommen rückwirkend 25 Dpf., wie die Männer; neues Gürtelmodell von Gürtelgruppe kreiert, Arbeitsunlust nimmt zu.
Mittwoch
Umbesetzungen zur Vermeidung von Leerlauf und zur Unterstützung schwacher Gruppen; Lohnkonflikte; weitere Werbung; Probeverkaufsstand auf dem Schulhof.
Mittwoch
Gürtelgruppe erhält mehr Näher; weitere neue Gürtelmodelle zur Vereinfachung der Produktion; vermehrte Arbeitsverweigerung; neuer Vorarbeiter kommt ebenfalls nicht zurecht; vorwiegend Verzierung und Ausbesserung der Gegenstände, wenig Neuproduktion.
Donnerstag
Letzte Ausbesserungsarbeiten usw., schwerpunktmäßige Vorbereitung des Verkaufs; Aufbau des Verkaufsstands und Verkauf in den 2 großen Pausen; Beginn der Auswertungsphase.
Donnerstag
wie Planung; keine Auswertung, wegen Übersättigung der Schüler; Auszahlung der Löhne.


2.3 Beurteilungsphase

Wie schon kurz angesprochen, kann die Beurteilungsphase erst nach der Durchführungsphase geplant werden, da sich aus dem tatsächlichen Verlauf erst die aktuell anzusprechenden Aspekte ergeben.
Wir gehen bei der Darstellung wieder so vor, daß wir unsere Planung etwas ausführlicher vorweg beschreiben und dann die Planung mit dem tatsächlichen Verlauf schematisch konfrontieren.

Zielvorstellungen:
Die Auswertungsphase sollte dem Ziel dienen, die gemachten Erfahrungen zu reflektieren und mit der Realität zu vergleichen. Außerdem sollten die Schüler durch Distanzgewinnung zum Erlebten ihr eigenes Verhalten und das der anderen untersuchen und begründen. Schließlich sollten Überlegungen zur Kritik des Gesamtprojekts angestellt und Verbesserungsvorschläge gemacht werden.

Planung:

  1. Die Auswertung sollte mit der Frage nach dem Grund des Motivationsabfalls beginnen: Wie kam es daß viele sagten: "Ich hab' keine Lust mehr!" "Ich kann kein Leder mehr sehen." Der ursprünglich geplante Beginn mit der Betriebsversammlung wäre jetzt nicht mehr aktuell gewesen. Wir wollten deshalb an dem Problem anknüpfen, das für alle offensichtlich war.
  2. Dann sollten die Schüler ihre Kritik am Projekt äußern und dabei überlegen, welchen Sinn ein solches Projekt überhaupt haben könnte und was man dabei evtl. anders machen sollte.
  3. Der Arbeitsvertrag und die damit zusammenhängenden Konflikte, wie z. B. der Streik, müßten noch einmal angesprochen werden, um den Schülem die Unterschiede zwischen Projekt und Realität klarzumachen.
  4. Außerdem hatten wir vor, den Schülern einen Fragebogen (M 9) zu geben, mit dessen Hilfe sich noch einmal jeder für sich Gedanken zum Projekt machen und seine Meinung frei äußern sollte, ohne daß er sich evtl. durch eine Diskussion eingeengt fühlen mußte.
  5. Wichtig erschien es uns auch, über den Verkaufsausgang nachzudenken.

Planung und tatsächlicher Verlauf der Beurteilungsphase - schematische Gegenüberstellung

Gründe für Motivationsabfall; Kritik am Projekt; Arbeitsvertrag, Streik; Fragebogen; Reflexion über Ergebnis des Verkaufs. wie Planung; vergleichende Betrachtung von Schule und Arbeit sowie theoretischem und Projektunterricht;
Reflexion über Verkauf (Planung); Vergleich des Modellbetriebs mit Industriebetrieb; Frage: Was hast Du bei diesem Projekt alles gelernt- (Diese Frage wurde auf Wunsch der Schüler von jedem schriftlich beantwortet und ausgewertet, s. M 10.) Die Schüler äußerten den Wunsch, einen wirklichen Lederproduktionsbetrieb zu erkunden.

3. Abschließende Reflexion

Zu den Zielen des Projektunterrichts im Rahmen der Arbeitslehre
Diese Ziele sind - hauptsächlich aufgrund ihrer Langfristigkeit und Komplexität schwer überprüfbar. Es läßt sich allerdings vermuten, unter Bezugnahme auf die von den Schülern formulierten Erkenntnisse (M 10) und mündliche Äußerungen in der Auswertungsphase, daß die Schüler, besonders durch die Diskussion während der Auswertungsphase, über verschiedene Faktoren und Bedingungen der Arbeits- und Wirtschaftswelt reflektiert haben und dadurch auch Hilfen für das Berufsleben bekommen haben.
Diese Ziele sind außerdem in den Zielen des Werk- und Verkaufsprojekts konkretisiert. Dabei ist zu berücksichtigen, daß natürlich nur einige exemplarische Erkenntnisse innerhalb dieser beiden sehr weitreichenden Zielbereiche angestrebt werden konnten.

Zu den Zielen des Werk- und Verkaufsproiekts ‚Lederarbeiten'
Auch diese Ziele können nicht wirklich überprüft werden, da sie die Übertragung der Modellsituation auf die Ernstsituation einschließen.
Die übergeordneten Ziele des Werk- und Verkaufsprojekts müßten grundsätzlich durch die engagierte Mitarbeit aller Schüler in den Gruppen während der Planungs- und der Auswertungsphase und durch die praktischen Erfahrungen in der Produktions- und Verkaufsphase, denen sich keiner entziehen konnte, erreicht worden sein, wobei die Frage des Transfers offenbleiben muß. Diese Vermutung wird durch die Schüleräußerungen in der Auswertungsphase, z. B. Hinweise auf die Monotonie der Arbeit Überlegungen zum Verkauf und zur Frage: Was habe ich gelernt- (M 10), unterstützt.
Die Feinlernziele, die die übergeordneten Ziele konkretisieren und eingrenzen, wurden jeweils durch bestimmte Merkmale und Situationen des Projekts angestrebt, auf die sie sich in ihrer Formulierung eindeutig beziehen. Wir gehen daher nicht näher auf diese Ziele ein, um Wiederholungen zu vermeiden und weil der Nachweis über erreichte Ziele aus o. a. Gründen nicht möglich ist. Wir glauben allerdings, daß die Schüler sich vielen dieser angestrebten Erkenntnisse aufgrund der eigenen Erfahrung und Praxis gar nicht entziehen konnten. Nicht wenige der Ziele sind von den Schülern selbst als Dazugelerntes empfunden worden (M 10).
Sicher ist, daß den Schülern zumindest ein Vorverständnis der Arbeitsteilung und ihrer Auswirkungen auf die Arbeiter vermittelt werden konnte und daß die Schüler einen Einblick in soziale Konfliktfelder eines Betriebes bekommen haben.
Diese Ziele, die schwerpunktmäßig intendiert waren, hätten durch theoretischen Unterricht kaum erreicht werden können, da die eigene praktische Erfahrung dazu notwendig ist. Rationale Erkenntnisse allein sind auf diesem Gebiet nicht ausreichend bzw. können nur schwer vermittelt werden und keine andauernden Lemprozesse auslösen. Insofern scheint uns der Aufwand eines solchen Projekts angemessen.

Zusätzliche Lernziele
Über die in der Planung aufgestellten Lernziele hinaus wurden wenigstens bei einem Teil der Schüler - durch vorher nicht geplante oder absehbare Vorgänge während der Produktionsphase - zusätzliche Lernprozesse eingeleitet. Dies wird auch an einigen von den Schülern formulierten Erkenntnissen und an Äußerungen während der Auswertungsphase deutlich.

Besonders dieses letzte Ergebnis des Projekts ist hoch züi bewerten, da sich daraus schon kurzfristig positive Konsequenzen für die Schüler und ihre familiale Situation ergeben können.


Zur Übertragbarkeit
Bei der Reflexion über einen Unterrichtsversuch' muß auch auf die Frage der Übertragbarkeit auf andere Schulklassen eingegangen werden, wenn der Bericht über den Unterricht Kollegen eine Hilfe sein soll. Dazu ist zunächst einschränkend anzumerken, daß das Projekt weder unter dem Gesichtspunkt der Überprüfung seiner Allgemeingültigkeit durchgeführt noch im Hinblick auf eine möglichst weitreichende Übertragbarkeit geplant wurde.
Es muß vor allem berücksichtigt werden, daß die Schüler bereits wesentliche Voraussetzungen für Projekte allgemein besaßen: Selbständigkeit in der Arbeit und bei der Lösung von Konflikten, Fähigkeit zu effektiver Gruppenarbeit und konstruktive Kritikfähigkeit. Außerdem bestand ein großes Interesse nach praktischer Tätigkeit und zum Zeitpunkt des Projektbeginns ein besonderes Bedürfnis danach, da vorher sehr viel theoretisch gearbeitet worden war. Eine wichtige Rolle spielte auch, daß die Schüler durch den vorangegangenen Unterricht bereits theoretische Vorkenntnisse über die Arbeitswelt hatten und daß sich schon bestimmte Einstellungen zur Arbeit - speziell auch repititiver Teilarbeit - durch die Besichtigung der elterlichen Arbeitsplätze, Betriebserkundungen und Filme gebildet hatten. Diese Punkte hatten von daher eine Auswirkung auf den Verlauf des Projekts, denn ein Betriebsrat z. B. konnte von den Schüler-Arbeitern nur gewählt werden, weil sie sich an den entsprechenden Unterricht darüber erinnerten; es waren also bestimmte Denkansätze vorhanden wie auch Handlungsstrategien, die bei Konflikten das Anstreben von Lösungen erleichterten und beschleunigten.
Wichtige Voraussetzungen für die Durchführung des Projekts oder eines ähnlichen Werkund Verkaufsprojekts sind unserer Meinung nach eine gewisse Selbständigkeit der Schüler beim Arbeiten und Kritikfähigkeit. An Gruppenarbeit sollte die Klasse gewöhnt sein, und ein bestimmtes theoretisches Basiswissen über das Arbeiten und Wirtschaften im Betrieb, das besonders für die Produktionsphase nützlich sein könnte, sollte im vorangehenden Unterricht vermittelt werden. Ein Interesse an praktischer Tätigkeit kann man wahrscheinlich in jeder Schulklasse voraussetzen. Es ist allerdings ratsam, mit kleinen Projekten zu beginnen, wie z. B. Herstellung von Werkstücken im Arbeit- und Technik-Unterricht und Verkauf auf einem Schulbasar.
Unter diesen Bedingungen erscheint uns eine Übertragung des Projekts auf andere Klassen möglich.


4. Medien


5. Literatur


6. Materialteil

M 1 Vorschläge für ein Werkprojekt
  1. Gabeln aus Bandeisen
  2. Löffel aus Holz
  3. Glasreste zusammengeschmolzen (z. B. Schmuckgegenstände)
  4. Glas in Blech eingeschmolzen
  5. Hocker mit bespanntem Sitz aus Holz
  6. Konstruktion einer Sansa (Musikinstrument)
  7. Konstruktion von Aufhängevorrichtungen (Kleiderhaken)
  8. Geräte und Behälter aus vollsynthetischern Kunststoff (Gebäckzange, Kleiderhaken, Löffel o. ä.) durch mechanisches Tiefziehen (Erhitzen und Verformen von zugeschnittenen Kunststoffteilen)
  9. Werkzeuggriffe aus Polyesterharz (für Schraubendreher o. ä.)
  10. Herstellen von Ledersachen (Portemonnaies, Täschchen, Etuis, Uhrenarmbänder, Gürtel 0. ä.)
  11. Plastikheftumschläge (Folienschweißen)


M 4 Planungsergebnis

1. Von den Schülern vorgeschlagene Ledergegenstände:

Brustbeutel

Gürtel                                 

Tabaksbeutel

Portemonnaie

Gelenkbänder

Halsschmuck

Taschen

Armbänder

Brillenetuis

Uhrarmbänder

Etuis (Federtaschen)

Knautschtiere

Die kursiv gedruckten Gegenstände wurden davon ausgewählt (Tabaksbeutel wurden später durch Portemonnaies ersetzt).

2. Materialbedarf (siehe Entwürfe der Gegenstände)

Lederteile pro Stück Lederteile insgesamt übriges Material
Gürtel: geflochtene (20) 3 Lederstreifen:1,5 cm X 1,5 cm 60 X 1,5 cm X 1,5 m Lochzange, Schere, Zwirn,Fingerhüte, Zuschneidemesser,Ledernähnadeln, Lineal,10 große Schnallen, Lochnieten
Flickengürtel mit/ohne Schnalle (20) durchschnittlich 10 X 5 cm X 10 cm (+ Lederband, ca. 1 m lang) 20 X 10 X 5 X 10cm + 10 Lederbänder à 1 m s.o.
Tabaksbeutel 32 cm X 15 cm (Wand)+ 10 cm X 10 cm (Boden)+ 1 Lederband 40 X 42 cm X 15 cm+ 40 Lederbänder Lochzange, Schere, Zuschneidemesser, Ledernähnadeln, Stecknadeln, Zwirn, Fingerhüte, Lineal, Lochnieten (für Ösen)
Federtaschen 20 cm X 25 cm 40 X 20 cm X 25 cm Lochzange, Schere, Zuschneidemesser, Ledernähnadeln, Fingerhüte, Zwirn, Stecknadeln, Lineal, 80 Druckknöpfe
Knautschtiere 2 X 14 cm X 20 cm 80 X 14 ein X 20 cm Zuschneidemesser, Schere, Ledernähnadeln, Stecknadeln, Fingerhüte, Zwirn, Klebstoff, Reis (zum Füllen)
Armbänder 4 cm X 15 cm + 1 Lederband (ca. 30 cm) 80 X 4 cm X 15 cm 20 Lederbänder, 20 Lederstreifen Zuschneidemesser, Schere, Lochzange, Lineal, Lochnieten, 20 kleine Schnallen
Uhrarmbänder 4 cm X 15 cm + 1 Lederstreifen: 1 cm X 20 cm 80 X 4 cm X 15 cm 20 Lederbänder, 20 Lederstreifen Zuschneidemesser, Schere, Lochzange, Ledernähnadeln, Lineal, Lochnieten, 20 kleine Schnallen
Werbegruppe bunte Pappe, Wachskreiden, Matritzen, Schere, Schreibstifte

M 5 Vorläufige Kalkulation

Materialkosten:
Leder 250,- DM
Zwirn 14,- DM
Stecknadeln 3,- DM
Fingerhüte 5,- DM
Schnallen (5) 25,- DM
kleine Schnallen (42) 13,- DM
Ledernähnadeln 5,- DM
1 Nietzange 8,- DM
Druckknöpfe 20,- DM
Lochnieten 10,- DM
Ziernieten 5,- DM
Klebstoff 7,- DM
Reis 16,- DM
Lederfarben 20,- DM
gesamt 401,- DM

Lohnkosten
15 Stunden à 0,25 DM = 3,75 DM für 32 Schüler 120,- DM

Gesamtausgaben
521,- DM

erwartete Einnahmen:
20 Gürtel à durchschnittlich 6,50DM 130,- DM
20 Tabaksbeutel à 4,- DM 80,- DM
(resp. 40 Portemonnaies à 2,50 DM) (100,- DM)
17 Federtaschen à 5,- DM 85,- DM
38 Knautschtiere à 4,50 DM 171,- DM
41 Armbänder à 2,- DM 82,- DM
42 Uhrarmbänder à 2,50 DM 105,- DM
gesamt 653,- DM

Die Preise verstehen sich als Durchschnittspreise.

Gesamteinnahmen 653,-DM

./.

Gesamtausgaben 521,-DM

Gewinn 132,- DM

Falls wir alles verkaufen und diesen Gewinn erzielen würden, wollten wir das Geld für die bevorstehende Klassenfahrt verwenden.


M 6 Die betrieblichen Funktionsbereiche und Positionen bestimmten wir folgendermaßen:

Bezeichnung Person Funktion Arbeitsplatz
Chef Klassenlehrer Kapitaleigner und Geldgeber, höchste Entscheidungsinstanz ‚Büro' (Gruppenraum)
Meister Referendarin Organisation und Überwachung von Produktion und Verkauf, Anlernen, direkter Vorgesetzter der Arbeiter, Absprachen mit dem Chef Produktionsabteilung (Klassenraum) und ‚Büro'
Vorarbeiter Schüler, der sich durch besonderen Eifer qualifiziert hat Kontrolle der fertigen Stücke, Disziplinierung der Arbeiter, Unterstützung des Meisters bei der Überwachung des Produktionsablaufs Produktionsabteilung, darf aber auch ins ‚Büro'
Facharbeiter 2 Schüler, die sorgfältig und geschickt arbeiten; später je nach frei werdenden Arbeitsplätzen(Verzierer) Nieter und Locher, Verzierer Produktionsabteilung
Arbeiter in der Werbe- und Verkaufsabteilung 2 Schüler Herstellen von Werbematerial, Verteilen des Werbematerials in der Schule, Vorbereitungen für Verkauf und Durchführung Produktionsabteflung
Arbeiter in der Fließfertigung Mehrzahl der Schüler Herstellung der Gegenstände im arbeitsteiligen Verfahren, wiederholtes Ausführen eines elementaren Arbeitsschrittes Produktionsabteilung

M 7 ARBEITSVERTRAG

Zwischen der Firma

Leder-HUTH, Sitz Hamburg 72, An der Berner Au 12

und Herrn/Frau ..............................................................................................................................................

geboren am ............................... in ...............................................................................................................

wohnhaft in ....................................................................................................................................................

wird nachstehender Vertrag abgeschlossen.

Herr/Frau ...................................... wird in unserem Betrieb in Hamburg, An der Berner Au 12, für die Zeit vom 12.-14. Mai beschäftigt. Die Arbeitszeit beträgt am 12. 5 Stunden, am 13. 4 Stunden, am 14. 6 Stunden. Das Beschäftigungsverhältnis kann von beiden Seiten unter Einhaltung der üblichen Frist gekündigt werden. Es kommen hierbei sowohl betriebliche Gründe als auch Gründe in Betracht, weiche in der Person des/der Arbeiters/in liegen. Unberührt davon bleibt das Recht der Firma zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde. Jede/r Arbeiter/in verpflichtet sich zu pünktlicher, einwandfreier und pflichtgetreuer Arbeitsleistung.

Die Versetzung des/der Arbeiters/in an einen anderen Ort bzw. in, eine andere Abteilung der Firma ist jederzeit zulässig.

Der/die Arbeiter/in hat den Anweisungen aller Vorgesetzten Immer, sofort und uneingeschränkt Folge zu leisten.

Die Firma verpflichtet sich, einen Stundenlohn von ............ DM zu zahlen, wenn in den 3 Tagen jeweils 40 Stück der Produkte angefertigt werden. Für jedes weitere Produkt, das in dieser Zeit geschafft wird, zahlt die Firma einen Akkordzuschlag von ............. DM. Im umgekehrten Falle erfolgt ein Abzug vom vereinbarten Lohn um jeweils einen Pfennig.

Hamburg, den

...................................                      ...................................

    (Manfred Huth)                                   (Arbeiter/in)

(Vgl.: UE Arbeit. Mat. zur Unterrichtspraxis. (Offenbach 19722.) S. 54 f.)


M 8 Lohnabrechnung

Name: ........................................................

Gruppe: ......................................................

Anzahl der produzierten Stücke: ........ Stück

Mindestzahl der zu produzierenden Stücke: 40 Stück

Akkordzulage ja 0 nein 0 = 0,00 DM

Arbeitsstunden ............. Std. ................... DM

Abzüge ............. Stunde = 0,25 DM

Fällige Lohnsumme: ................. DM

Dankend erhalten am .....................................


M 9 Fragebogen an die Arbeiter der Firma Leder-Huth

1. Was hat Ihnen an der Arbeit gefallen-

2. Was gefiel Ihnen nicht-

3. Welche Rechte hatten die Arbeiter-

4. Gab es Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Arbeiter und wo wäre Mitbestimmung besonders wichtig gewesen-

5. Welche Rechte hatte der Unternehmer-

6. Wer hatte es im Betrieb am besten - und warum-

7. Würde dieser Betrieb auch ohne Unternehmer produzieren können-

8. Was würden Sie wählen- Ein Jahr diese Arbeit oder 1 Jahr Schulunterricht-

9. Warum wurde wohl Akkord gearbeitet-

10. Warum lief wohl während der Arbeitszeit Musik-

11. Hat Euer Betriebsrat Eure Interessen richtig vertreten oder gibt es Kritik-

12. Wie erklärt Ihr Euch die vielen Aggressionen 19. am Mittwoch. Schreibt bitte Gründe dafür auf.

(Vgl.: Behrens, Frank: Das Projekt ‚Arbeit' i. d. Grundschule. Mü 1974, S. 147.)


M 10 Auswertung: Was hast Du alles bei diesem Projekt gelernt-

Schülerantworten:
  1.  ... wie es in einem Betrieb zugeht,
  2. ... etwas über den Arbeitsvertrag, Betriebsratarbeit, Kündigung, Kosten und Gewinn, Geschäftsleitung, Geschäftsbericht, Betriebsversammlung,
  3. ... daß Arbeiter einen Betriebsrat wählen müssen, um ihre Rechte richtig zu vertreten und durchzusetzen,
  4. ... daß im Betrieb die einen den anderen was zu sagen haben: 1. Chef, 2. Meister, 3. Arbeiter,
  5. ... was Arbeiter und Unternehmer für Rechte und Pflichten haben,
  6. ... wie das Verhältnis von Chef zu Arbeitern ist,
  7. ... wie man Leder schneidet, näht und nietet,
  8. ... daß wir mehr erreichen können, wenn wir alle zusammenhalten,
  9. ... wie man seine Interessen vertritt,
  10. ... wie es ist, wenn man Akkord arbeitet,
  11. ... wie anstrengend Arbeit sein kann, man kriegt kaputte Finger,
  12. ... wie monoton Arbeit sein kann; Kopf schmerzen entwickeln sich daraus,
  13. ... wie man zusammenarbeitet und zusammenhält,
  14. ... daß nicht jede Arbeit Spaß macht und leicht ist,
  15. ... wie es bei der Verkaufplanung und beim Verkauf zugeht,
  16. ... daß man bei der Arbeit vieles nicht darf,
  17. ... daß man den Arbeitsvertrag genau lesen muß, ehe man ihn unterzeichnet,
  18. ... daß man oft einfach etwas tun muß, was man gar nicht so möchte.
  19. ... Ich habe gelernt, wie es später aussieht, wenn ich zur Arbeit gehe, und warum sich Vater und Mutter genervt fühlen, wenn sie von der Arbeit kommen. Eben weil die Belastung der monotonen Arbeit so groß ist.

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Projekt: Renovieren der Schulräume
Projektwochen von zwei 7. Klassen

Horst Bethge / Manfred Huth
In: Die Arbeitslehre 3/1981, S. 141-146

Zum didaktischen Standort des Projektes im Arbeitslehreunterricht

Folgendes Projekt ist eingebettet in einen fächerübergreifenden Arbeitslehrelehrplan, den sich jede Schule in Hamburg selbst erstellen muß, da für den Haupt- und Realschulbereich keine Richtlinien und Lehrpläne existieren, nicht einmal für die eine Stunde Berufsorientierung ab Klasse 8.

Integraler Bestandteil dieses Curriculums ist eine Dreier-Projekt-Sequenz1, die wir etwas ausführlicher darstellen wollen, wenn wir im folgenden den von der Fachkonferenz unserer Schule entwickelten Lehrplan2 verkürzt wiedergeben - besonders auch, um den Bedingungsrahmen und die unterrichtlichen Voraussetzungen für das darzustellende Projekt aufzuzeigen:

Klasse 7/8:

Klasse 8/9:

Klasse 9/10:

Ohne Fragen sind diese Inhalte und deren Ziele nur zu erreichen bei konsequentem fachübergreifenden Arbeitslehreunterricht als Unterrichtsprinzip.

Einige Worte noch über die mit dem Projekt zusammenhängenden schulpolitischen Voraussetzungen in Hamburg: Der für die Renovierung unserer Schulräume zuständige Bezirksamtsleiter wirbt in einem Brief vom 27. 6. 1980 an alle Schulen in unserem Schulkreis für Renovierungsselbsthilfe, da sein Amt schon oft "bedauernd erklären mußte, daß kein Geld da sei, um diese oder jene an sich notwendige Renovierung durchzuführen". Es könnten nur "Prioritäten gesetzt werden und vorrangig solche Arbeiten finanziert werden, die die Funktionsfähigkeit der Räume und Einrichtungen wieder herstellen und der Substanzerhaltung der Gebäude dienen. Die sog. Schönheitsreparaturen' stehen verständlicherweise (!) an letzter Stelle und müssen leider oft hinausgeschoben werden". Im Fall unserer Räume wurden sie 11 Jahre hinausgeschoben; wie Schulräume nach so langer Benutzungszeit aussehen, ist wohl jedem klar. Daß Eigeninitiative der Sparpolitik in diesem Bereich sehr willkommen ist, wird deutlich durch den Vergleich der Kosten: Renovierung der Räume durch einen Malerbetrieb: 30 000 DM - Materialkosten, bei unserem Projekt: 2500 DM. Eltern, Schüler und Lehrer waren sich bei diesem Projekt klar über den Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach einer lernfreundlichen Schulumwelt und der Gefahr bei der Realisierung des Projektes sich zu 'Stopfern' der Sparlöcher mißbrauchen zu lassen. Unser Entschluß, das Projekt dennoch durchzuführen basierte in erster Linie auf der unmittelbaren Bedürfnissituation unserer Schüler - eine optimale Voraussetzung zur Planung und Durchführung jeden Unterrichts. Selbstverständlich führten wir mit Eltern und Schülern anhand der Widerspruchslage Gespräche über Anspruch und Wirklichkeit sozialdemokratischer Bildungspolitik in Hamburg.
Abgesehen von der politischen Dimension haben wir an unserer Schule die Erfahrung gemacht, daß Schüler anderer Klassen nach Renovierungsprojekten sehr viel sorgfältiger und pfleglicher mit den Resultaten ihrer Arbeit umgehen.


I. Planung des Projektes

Es handelt sich bei den Räumen, die wir selbst renovierten, um einen der in Hamburg serienweise 1957 aufgestellten Pavillons (EternitFlachbauten mit vier Klassen, drei Toiletten und zwei Fluren; für je zwei Klassen ein Flur). Da diese Pavillons ursprünglich für eine 12jährige Lebensdauer konzipiert waren, ließ die Behörde keine größeren Reparaturen mehr durchführen. Die Eternitwände und - decken wiesen daher Bruchlöcher aus, einzelne Wandteile waren durch Spanplatten ersetzt, aber nie gestrichen worden, und die Holzschränke im Flur hatten z. T. keine Türen mehr.
Am Beginn der Planung stand der Wunsch nach gepflegten und gemütlichen" Räumen. Der Lehrer regte daher den Gedanken an, das Klassenzimmer und den Flur wieder instandzusetzen. Diese Idee fand sogleich die Zustimmung der Schüler. Sie setzte eine Diskussion frei: Farben wurden genannt, Vorschläge für Blumenbänke, Sitzecken, Spielgelegenheiten spontan geäußert. Danach standen wir vor der Frage: Wer bezahlt das? Darf man die Räume verändern? Der Lehrer informierte über die Möglichkeiten, vom Bezirksamt die Kosten ersetzt zu bekommen.
In einer zweiten Stunde schlugen die Schüler vor, arbeitsteilig in Gruppen (Maler, Reinigungsdienst, Reparaturen) die Renovierung durchzuführen. Der Lehrer vertiefte diese Planungsphase durch Nachfragen: Wieviel Farbe für die Wände, für die Decke muß eingekauft werden? Welche Reparaturen und Vorarbeiten müssen ausgeführt werden?

Es zeigte sich für alle die Notwendigkeit, genauer zu planen und weitere Gruppen einzurichten. In einer kurzen Informationsphase holten wir sodann die Ratschläge fachkundiger Eltern, Geschwister und Nachbarn ein: Wie wird die alte Farbe beseitigt- Wie lackiert man Eisenfensterrahmen- Wie wird gespachtelt- Die Schüler notierten diese Hinweise und trugen sie der Klasse vor. Es entstand eine Liste alter anfallenden Arbeiten. (siehe Anlage 1)
Danach wurden folgende Arbeitsgruppen (Kolonnen) eingeteilt:

Jeder Schüler gehörte zwei Gruppen an.

Der Lehrer erstellte daraufhin einen genauen Stundenplan, der den Schülern zum einen die Teilnahme am normal weiterlaufenden Fachunterricht mit mindestens drei Schulstunden täglich ermöglichte, der ihnen zum anderen einen etwa gleich großen Zeitraum für die Realisierung des Projektes in den Arbeitsgruppen (Kolonnen) einräumte.
Der Plan eines Tages sah z. B. folgendermaßen aus:

    1. Stunde - Englisch (alle)
    2. Stunde - Sport (alle)
    3. u. 4. Stunde - Reinigung 3, Maler 3 u. 4
    5. u. 6. Stunde - Reinigung 1, Maler 1 u. 2.

Parallel zu diesen Vorbereitungen wiederholte der Mathematiklehrer das Thema "Flächenberechnung" an den konkreten Maßen aus der Klasse und den Fluren. Es schlossen sich Multiplikationsaufgaben mit den real zu verbrauchenden Farbmengen an (z. B. daß 600 g Deckenfarbe pro m2 benötigt werden).
Längere Diskussionen gab es bei der Frage, welche Reparaturen und Vorbereitungsarbeiten erforderlich sind. Wir konsultierten Väter, Hausmeister und Werklehrer, bevor eine Liste zu erledigender Arbeiten und einzukaufender Materialien (Holz, Spachtelkitt, Schrauben, Leisten etc.) erstellt wurde. Lebhafte Diskussionen löste das Problem der Farbgestaltung aus. Es gab zwei kontroverse Positionen: Die eine Schülergruppe favorisierte Modefarben, möglichst lebhafte, die andere gedecktere Farben. Unter Hinzuziehung von Farbskalen und Einbeziehung von Farbarten (Ölfarben, Dispersionsfarben) ergab dann erst die gemeinsame Beratung mit dem Malermeister, den das zuständige Bezirksamt uns schickte, eine Klärung.
Der Kostenfaktor, für das Bezirksamt maßgeblich, spielte für die Schüler zunächst keine Rolle. Es bedurfte dann der nochmaligen Rücksprache mit den verantwortlichen Baubeamten, um die von den Schülern gewünschten Farben (violette bzw. dunkelblaue Wände, weinrote Decken, weinrote Fensterrahmen) genehmigt zu bekommen.
Die Planung des Projektes erfolgte im Wechsel von Gruppenarbeit und Plenumsgespräch. Sie ermöglichte die Beteiligung aller Schüler: Einige konnten bei Brüdern, Vätern und Nachbarn fachkundigen Rat einholen, andere verstanden etwas von handwerklichen Fragen oder verfügten über eigene Renovierungserfahrungen, wieder andere brachten ästhetische Qualifikationen ein.
Die Schüler verbesserten den schon ansatzweise entwickelten Diskussionsstil: Es mußte immer wieder argumentiert werden, galt es doch viele Faktoren (Kosten, Zeit, Farbqualitäten, Arbeitsabläufe) zu berücksichtigen.
Am Ende dieser Planungsphase war jeder Schüler aktiv beteiligt gewesen und fachkundiger geworden. Er vermochte den Ablauf des Projektes zu überschauen und die Arbeit seiner Gruppe in das Gesamtvorhaben einzuordnen.


II. Zur Durchführung des Projektes

Mit großem Einsatz und Eifer wurde das Projekt in drei Wochen realisiert.
Anfangs waren die Lehrer ständig Ansprechpartner für die Schüler. Es bedurfte daher täglicher Hinweise auf die Kolonnenführer" bzw. Gruppenleiter oder Experten", um die eigenständige Zusammenarbeit der Schüler zu verstärken. Anfangs war es überdies erforderlich, die Ausführung notwendiger, aber nicht sehr beliebter Arbeiten (Boden mit Papier auslegen, Pinsel auswaschen) anzuregen. Nach einigen Tagen arbeiteten die Gruppen dann zunehmend selbständiger. Einmal wöchentlich füllten sie "Arbeitszettel" aus, die die Spalten: Datum, Wochentag, erledigte Arbeit, Arbeitszeit, Materialverbrauch, benutzte Werkzeuge und die Unterschrift des Gruppenleiters umfaßten.
Viele Schüler leisteten freiwillige Überstunden - ein Schüler erreichte 14 Überstunden. Vor allem solche Schüler, und zwar Jungen wie Mädchen, die in Fächern mit hohem Theorieanteil und geringem Praxisbezug oft nicht so gute Leistungen aufwiesen, konnten jetzt einmal führend in der Gruppe mitarbeiten.
Da beide Klassen gleichzeitig das Projekt durchführten, war es sachlich notwendig, bestimmte Geräte (Leitern, Pinsel, Schwingschleifer u. ä.) abgesprochen einzusetzen. So wuchs die Kooperation zwischen den Klassen. Wir tauschten Erfahrungen und "Expertentips" aus.
Eine Schwierigkeit bestand anfangs darin, die Arbeit der Gruppen zeitlich aufeinander abzustimmen. So mußte z. B. eine Schrankwand zweimal gestrichen werden, weil die "Maler der Decke" und die "Maler der Schrankwand" unterschiedlich schnell arbeiteten.
Selbständig lösten die Schüler im Verlauf des Projektes das Problem, jeden nach seinen speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten einzusetzen: In der Gruppe "Vorbereitung" wollten z. B. anfangs alle mit dem Schwingschleifer arbeiten. Als die Schüler aber merkten, wieviel Armkraft nötig ist, teilten sie auf, wer mit dem Schleifer arbeitet, wer sprachtelt oder fehlende Leisten ersetzt. Bei den Malern führten diejenigen die Feinarbeiten aus, die mit ruhiger Hand arbeiten konnten.
Ein Problem ergab sich daraus, daß die benötigten Farbmengen je Fläche und die Reinigungsflüssigkeit nach den Angaben des Malermeisters berechnet worden waren. Schüler aber arbeiten anders, verstreichen die Farbe weniger gleichmäßig, verkleckern mehr und müssen manches zweimal machen. Etwa 20-25 % der Farbmengen mußte daher nachgekauft werden.
Weniger angenehm waren Störungen durch nicht am Projekt beteiligte Klassen, die im gleichen Pavillon untergebracht waren: Einzelne Schüler wollten in den Pausen zusehen, oder sie "begutachteten" nach Schulschluß den Fortschritt der Arbeiten. Ihre Kommentare gefielen uns nicht immer. Aus der verbalen gegenseitigen ,Anmache" wurde einige Male ein Anmalen mit frischer Farbe.
Schon nach wenigen Tagen war festzustellen, daß die Schüler die renovierten Wände und Türen verbissen" verteidigten, wenn nur jemand eine Wand anfaßte: "Schon' bloß unsere Wand! Deine Dreckfinger gehören nicht an unsere renovierte Wand!", oder "Laß das Kreidewerfen im Flur. Du weißt ja nicht, was das für eine Arbeit ist, alles zu malen."
Inzwischen ist es möglich, im Flur der beiden Klassen eine Pinnwand mit ständig wechselnden Zeitungsausschnitten, Informationen und Plakaten aufzustellen, ohne daß etwas abgerissen und beschädigt wird. Eine Blumenbank mit Töpfen kann stehen, wo früher getobt wurde.


III. Auswertung des Projektes

Die Auswertung unseres Projektes verlief nach 4 Gesichtspunkten:

  1. Schülereinschätzung des Projektes durch Fragebogen (siehe Anlage 2) und Diskussion der Erhebungsergebnisse
  2. Einschätzung und Diskussion der Eigen/Gruppenleistung einschließlich Projektzensierungsfrage eines Fragebogens
  3. Auswertung in den Fächern Deutsch und Mathematik
  4. Berufsorientierende Weiterführung: Wir erstellen eine Berufsbild. Maler und Lackierer

Wir wollen nur kurz auf die Punkte 1-3 eingehen und den berufsorientierenden Aspekt ausführlicher darstellen.

1. Schülereinschätzung des Projekts durch Fragebogen:
Die Kritik der Schüler richtete sich hauptsächlich auf folgenden Punkt des technischen Ablaufs: Farbe und Materialien wurden nicht termingemäß geliefert, so daß es zu vorher nicht planbaren Verzögerungen und organisatorischen Änderungen kam. Der Grund hierfür war, daß wir behördlicherseits an eine Vertragsfirma gebunden waren, die nicht in der Nähe unserer Schule lag. Bei ähnlichen Projekten sollte auf jeden Fall bei den Verhandlungen mit dem Bezirksamt darauf gedrungen werden, mit Betrieben aus der näheren Umgebung zusammenarbeiten zu dürfen, da sich Nachlieferungen dann auch z. B. durch Selbstabholung leichter regeln lassen. - Positiv beurteilten die Schüler vor allem die Zusammenarbeit der einzelnen Gruppen. Viele Schüler meinten auch, daß sie Klassenkameraden und Lehrer besser kennengelernt haben. Mehrfach wurde genannt, daß die Lehrer nicht so gestreßt' gewesen seien. Durchweg wurde die Projektzeit als angenehmer empfunden als der normale" Schulbetrieb. Ausschlaggebend für diese Bewertung war der höhere Grad an selbständiger Tätigkeit.
Auf die Frage nach dem individuellen Lernerfolg nannten die Schüler neben technischen Fertigkeiten und mathematischen Kenntnissen Aspekte der Selbständigkeit, der Selbstverantwortung und positive Momente des Gruppenarbeitsprozesses. Sie betonten mehrfach, daß es "Spaß macht, eine selbstgeplante Sache von Anfang bis Ende durchzuführen".

2. Einschätzung der Eigen-, Gruppenleistung / Zensierung:
Alle Schüler entschieden sich für eine Zensierung. Die Mehrheit war für Einzelbenotung. Bei der Selbsteinschätzung hatten sie Schwierigkeiten in der Hinsicht, eigene gute Leistungen eher zu unterschätzen bzw. Gruppenarbeitsverhalten eher zu überschätzen. Die Zensuren sollten im nächsten Zeugnis in die Benotung für das Fach Jechnik" einbezogen werden.

3. Auswertung in den Fächern Deutsch und Mathematik:
Im Deutschunterricht haben wir uns neben Rechtschreibübungen (Fachwörter aus dem handwerklichen Bereich) hauptsächlich auf die Beschreibung eines Arbeitsvorganges konzentriert. Die Aufgabe lautete: Beschreibe bitte ganz genau von Anfang bis Ende einen Arbeitsvorgang, an dem Du beteiligt warst. Beschreibe bitte möglichst genau; einzelne Teile des Vorgangs, benötigte Materialien, Werkzeuge und Gebrauch, Schwierigkeiten, Fehler. Worauf muß man besonders achten? - Verwende bitte auch die entsprechenden Fachausdrücke.
Im Mathematikunterricht stellten die Schüler verbrauchte Materialmengen den vorher errechneten vergleichend gegenüber. Sie prüften Rechnungen und ermittelten die von der Behörde eingesparte Summe, also den Wert der Schülerarbeitskraft.

4. Berufsorientierte Weiterführung:
Im Arbeitslehreunterricht haben wir das Projekt dazu benutzt, mit den Schülern das Berufsbild Maler und Lackierer" zu erstellen. Die Zielsetzung des Lehrers: Genauere Informationen über den Beruf des Malers und Lackierers als Beispiel eigenständiger Informationsbeschaffung für andere Berufe einholen. Den Begriff Berufsbild" einführen.

2. Stunde:

3. Stunde:

4. Stunde:

Anlage 1
Hinweise zur Arbeitsvorbereitung und Arbeit
  • Decke in der Klasse:
    • 2-3mal streichen (je nachdem wie gut die Farbe deckt)
  • Wände in der Klasse:
    • reinigen
    • spachteln und schleifen
    • grundieren
    • streichen
  • Heizung in der Klasse:
    • reinigen
    • mit Sandpapier abschleifen
    • mit Lack streichen
  • Fenster und Metallstreifen in der Klasse:
    • reinigen
    • schleifen
    • mit Metallgrund streichen (??)
    • lackieren
  • Tafeln in der Klasse:
    • mit Terpentin reinigen
    • alte Stellen spachteln und schleifen
    • mit Schultafellack vorstreichen und 24 Stunden warten
    • streichen
  • Tür in der Klasse:
    • reinigen und spachteln, schleifen
    • grundieren
    • lackieren
  • Fensterbretter und Bordoberteile in der Klasse:
    • reinigen
    • mit Kunststoffhaftpraimer vorstreichen ? lackieren
  • Borde innen:
    • reinigen, schleifen
    • spachteln (wenn nötig), schleifen
    • grundieren und lacken
  • Bordbretter:
    • lackieren
  • Holzschränke in der Klasse:
    • reinigen, schleifen, spachteln, schleifen
    • grundieren und lacken
  • Teile, die nicht mitgestrichen werden sollen (Fenster, Metallschienen):
    • mit Tesakrepp abdecken

Anlage 2

Fragebogen zur Auswertung der 2 Projektwochen
  1. Was hat Dir an den Projektwochen NICHT gefallen? Begründe bitte!
    • a) Planung:
    • b) Organisatorischer Ablauf:
    • c) Arbeitsablauf:
  2. Was hat Dir an den 2 Projektwochen GUT gefallen? Begründe bitte!
    • a) Planung:
    • b) Organisatorischer Ablauf:
    • c) Arbeitsablauf:
  3. Wie beurteilst Du die Zusammenarbeit in Deiner Gruppe? Erkläre bitte!
  4. Wie beurteilst Du das Verhalten Deiner Lehrer? Begründe bitte!
  5. Was sollte das nächstemal unbedingt vermieden werden?
  6. Was sollte genauso gemacht werden?
  7. Sind die 2 Projektwochen für Dich schnell vergangen oder war es insgesamt eine lange Zeit? Versuche das zu erklären!
  8. Vergleiche bitte die 2 Projektwochen mit ,normaler Schularbeit'! Was findest Du besser, begründe bitte!
  9. Was hast Du bei diesem Projekt alles gelernt? -Denke dabei auch an die Vorbereitung.
    Denke bitte auch an die Dinge, die nicht zum normalen Lernstoff der Schule gehören.
  10. Meinst Du, daß Du bei diesem Projekt etwas gelernt hast, was Dir schon einen Vorgeschmack' auf Dein zukünftiges Berufsleben gibt? Erkläre bitte.
  11. Hast Du in den 2 Projektwochen Mitschüler oder Lehrer von einer anderen Seite kennengelernt als im normalen Unterricht? Nenne Beispiele und erkläre!


Anmerkungen

1 Vgl.: Manfred Huth: Projekt Keksproduktion. Lernen durch Selbstbestimmung. In: b:e 10/ 1980. S . 20 f.
Zurück zum Text.

2 Es handelt sich um eine modifizierte und in wesentlichen Teilen ergänzte Fassung der Fachkonferenz unserer Schule von 1975; vgl.: Bethge, Otto, Sauerwein: Erfahrungen mit dem Betriebspraktikum für Hauptschüler. In: Demokrat. Erz. 3/1975. S. 64. Zurück zum Text.

3 Analog den Themen im Jugendbildungsplan der IG-Chemie. Zurück zum Text.

4 Vgl.: Unterrichtsmaterialien zur Berufsorientierung. Hrsg. v. d. Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg. HH 1980. S. 4-36. - Gewerkschaftliche Unterrichtshilfen 1. Berufsorientierung. Hrsg. v. DGB Bundesvorstand Abt. Bildung. Düsseldorf 1980. Zurück zum Text.

5 Vgl.: Manfred Huth: Wo meine Eltern arbeiten ... Ein Tag im Betrieb. Wie sich Schüler am Arbeitsplatz ihrer Eltern über Probleme des Berufslebens informieren. In: a + 1 9/1980. S. 26-28. Zurück zum Text.

6 Richtlinien und Lehrpläne HH, Bd. II Ziffer 32/42/43.220. Geschichte. Zurück zum Text.

7 Richtlinien und Lehrpläne HH, Bd . II Ziffer 32/42/43.220. Pol./Soz.kunde. Zurück zum Text.

8 Vgl.: Manfred Huth / Birgit Rinke: Projekt: Lederarbeiten. In: Die Arbeitslehre 3/1979. S. 147-162. - Projektgruppe Hauptschularbeit: L. Barz u. a.: Hauptschüler u. berufl. Wirklichkeit... Achenbach Loller 1976. - Unterrichtseinheit "Arbeit". Materialien zur Unterrichtspraxis. (2. Auflage. Offenbach 1972.) Reihe Roter Pauker 2. Zurück zum Text.

9 Gute Materialsammlungen: Arbeitsgruppe Oberkirchner Lehrmittel (AOL): Betriebspraktikum. (Plankstadt 1977). - Betriebspraktikum. Handreichung für die Schule. Hrsg. v. d. Behörde für Schule ... HH. Hamburg 1978. Zurück zum Text.

10 Vgl.: Manfred Huth: Probleme der Berufserziehung. In: W. Wulfers (Hrsg.): Polytechnik/Arbeitslehre 1. Arbeitsgruppe Oberkirchner Lehrmittel (AOL) Reihe 2: Schulpraxis. Planstadt (1978). S. 140-177. Unterrichtsmaterialien zur Berufsorientierung ... S.61-95. Zurück zum Text.

11 Vgl.: Manfred Huth: Projekt Keksproduktion ... S. 19-25. - Schernikau, Heinz: Produktion und Verkauf: Ein Unterrichtsvorhaben als Grundlage einer Unternehmenserkundung. In. WPB 8/1968. - Werner, P.: Zur Organisation eines Schülerbetriebes. In: W. Klafki (Hrsg.): Unterrichtsbeispiele der Hinführung zur Wirtschaftsund Arbeitswelt. Düsseldorf 1970. Zurück zum Text.

12 Vgl.: Manfred Huth: Das 2. Praktikum. Was spricht dafür? Schüler der Abschlußklassen untersuchen politisch-soziale Probleme der ArbeitsWirklichkeit. In: a + 1 9/1980. S. 33 u. 34. Zurück zum Text.

13 Vgl.: Jugendarbeitslosigkeit. Unterrichtsmat. 2. Hrsg. v. d. GEW-HH. HH 1978. - Arbeitslosigkeit. a + l 2/1979. - Ohne Ausbildung, ohne Arbeit - keine Zukunft für die Jugend. Betrifft uns 1/1979. Zurück zum Text.

14 Erkundungsbogen aus: Unterrichtsmaterialien zur Berufsorientierung Jahrgangsstufen 8/9/10. Hrsg. v. d. BSB/HH. HH 1980. S. 29-31. Zurück zum Text.

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Lernen durch Selbstbestimmung
Projekt Keksproduktion

Manfred Huth

In: betrifft:erziehung 10/1980, S. 19 - 25.
Nachdruck in: Klaus Peter Creamer (Hg.): Lebendiger Schulalltag. Weinheim und Basel: Beltz Verlag 1982. S. 51-59.

Projekt - dieser Begriff ist in letzter Zeit in aller Munde. Fortschrittliche Wissenschaftler und Schulpraktiker setzen sich mit dieser Unterrichtsform intensiv auseinander. Und nicht nur an Gesamtschulen werden Projektwochen durchgeführt.
Hier das Beispiel des Projektes "Keksproduktion" im Fach Arbeitslehre, das Schülern erlebnisnahe Informationen über Produktionsbedingungen in der Einzelproduktion, der Serienproduktion und genossenschaftlicher Produktion vermittelt.

Bei der Planung und Durchführung jedes pädagogischen Prozesses sind drei Komponenten zu berücksichtigen, die in einem dialektischen Zusammenhang stehen: Ziel - Inhalt - Methode.
Innerhalb dieser Relation nimmt das Ziel - die Umsetzung der für richtig befundenen gesellschaftlich notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Persönlichkeitsqualitäten in pädagogische Handlungsmaximen - die bestimmende Position ein; es übt entscheidenden Einfluß aus auf die Auswahl der Inhalte und Methoden. Der Maßstab pädagogisch erfolgreichen Handelns ist die ständige Besinnung auf den Zusammenhang dieser drei Komponenten. Eine Trennung in der didaktischen Reflexion muß verhängnisvolle Folgen haben, denn: "falsch gewählte Inhalte können auch die beste Zielsetzung nutzlos machen; falsche methodische Mittel können verhindern, daß gut gewählte Inhalte bildungswirksam werden, und sie können dazu beitragen, daß richtige Zielsetzungen ins Gegenteil verkehrt werden" (Schmiederer, Rolf: Zur Kritik der politischen Bildung, Frankfurt/M. 1971, S. 91). Wenn es nun darum geht, Phänomene zu erfassen, die nicht im täglichen konkreten Erfahrungsfeld der Lernenden liegen - denn Schule und Leben sind in kapitalistischen Staaten konzeptionell getrennt - wie z. B. die Arbeitswelt in ihren technologischen, ökonomischen und politisch-sozialen Interdependenzgefüge, ist es notwendig, nach Methoden zu suchen', die bestimmte Inhalte gemäß unseren Intentionen im Interaktionsprozeß "Schule" für die Schüler lern-, versteh- und anwendbar machen und nicht nur bestimmte Strukturen, Relationen und Bedingtheiten abstrakt erklären: Die Schüler müssen durch praktische, möglichst weit selbstbestimmte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand sinnlich-konkrete Erfahrungen machen, um so, aufgrund der eigenen Erfahrungen, zu Erkenntnissen zu kommen. Eine besonders gut geeignete Methode ist neben Planspiel, Fallstudie und Praktikum das Projekt (dt. Begriff: Vorhaben).
Der gravierende Unterschied zu anderen Unterrichtsformen liegt darin, daß durch praktische, weitgehend selbstbestimmte Arbeit, die Sinn und Ziel für die Schüler hat, "Schul"arbeit für die Lernenden funktional wird und Spaß macht - im günstigsten Fall wird Lernen zum echten Bedürfnis. Um das möglichst optimal zu erreichen, müssen die Schüler soweit wie möglich in die Phasen der Zielentscheidung, Planung, Durchführung und Beurteilung miteinbezogen werden, was natürlich Konsequenzen für das Lehrerverhalten und die Planbarkeit des Projekts hat: die Lehrerrolle wird weitgehend reduziert auf die des kompetenten Beraters und Helfers - soweit es von den Schülern gebraucht wird. Er ist nicht mehr der alleinige Planer und Steuerer aller Unterrichtsprozesse und muß von daher variabler werden und sich mit den Schülern in bestimmte Lernprozesse hineinarbeiten, die vielleicht vorher gar nicht absehbar waren.
Für die Primar- und Sekundarstufe 1 ist der Projektunterricht besonders geeignet, da durch ihn komplexe Zusammenhänge modellhaft erläutert werden können im dialogischen Verhältnis zwischen Theorie und Praxis. Gleichzeitig wird die sachbedingte mündliche Kommunikation zwischen den Schülern gefördert.

Am Beispiel des Projektunterrichts im Fach Arbeitslehre soll die unterrichtspraktische Realisierung untersucht werden. Hier haben Projekte meist die Funktion, betriebliche Realität von Produktion, Distribution und Lohnarbeit unter ökonomischen, technologischen und politisch-sozialen Aspekten widerzuspiegeln. Jedoch muß man sich darüber im klaren sein, daß eine totale Widerspiegelung der Wirklichkeit nicht möglich sein wird, sondern nur Teilaspekte abgebildet werden können, die allerdings in der Planung genau festgelegt werden sollten. D.h., daß jedes durchgeführte Projekt unbedingt ergänzt werden muß durch Medien, Betriebserkundungen und Betriebspraktika, so daß die sinnliche Projekterfahrung der betrieblichen Realität gegenübergestellt und durch sie ergänzt wird.
Das Werk- und Verkaufsprojekt eignet sich besonders gut dazu, den Einblick in das Arbeiten und Wirtschaften im Betriebzugeben und die verschiedenen Funktionsbereiche eines Betriebes von der Produktion bis zur Distribution zu verdeutlichen. Ein wichtiges Element ist der Verkauf, bei dem das "nutzbringende" Ergebnis des Projekts für die Schüler besonders einsichtig und der Ernstcharakter verstärkt wird. Hierbei wird auch das dialogische Verhältnis zwischen Schülern und Umwelt besonders aktuell:
- Herstellung - Verkauf (Kauf bzw. Nichtkauf = Reaktion der Umwelt)
- Reflexion über Verkaufserfolg / Mißerfolg. Ein sehr guter didaktisch-methodischer Weg, um die Merkmale z. B. der Serienfertigung zu verdeutlichen bzw. Erfahrungen über Lohnarbeit und Arbeiterselbstverwaltung zu vermitteln, ist eine Dreier-Projekt-Sequenz:

  1. 1. Herstellung eines Gegenstandes in der Einzelproduktion
    Der Schüler fertigt ein Produkt von Anfang bis zum Ende selbst an. Im fertigen Produkt sieht er seine Arbeitskraft vergegenständlicht. Das herzustellende Produkt muß so gewählt werden, daß es für den Schüler Gebrauchswert hat.

  2. 2. Herstellen eines Gebrauchsgegenstandes in Serienproduktion in einem Lohnarbeitsverhältnis
    Phasen der Zielentscheidung und Planung werden von den Schülern möglichst selbständig erarbeitet. Bei der Produktions- und Verkaufsphase dürfen den Schülern keine Einflußmöglichkeiten mehr gegeben sein. Das bedeutet, daß die Schüler während der Planung einen Überblick über die verschiedenen konstitutionellen Faktoren im Betrieb erhalten, in der Durchführungsphase aber an ihren Arbeitsplatz gebunden sind und auch Erfahrungen mit betrieblicher Arbeitsteilung, der Zerstückelung von Arbeitsgängen in der Serienproduktion und der hierarchischen Struktur eines kapitalistischen Produktionsbetriebes aus der entfremdeten Sicht eines Lohnarbeiters machen müssen; sie erfahren so die wesentlichen Faktoren seiner Arbeitsplatzsituation: Spezialisierung, Monotonie, Unterordnung, Entfremdung. Der Lehrer übernimmt hier die Rolle der Betriebsleitung mit alleiniger Entscheidungskompetenz. Er finanziert den Betrieb, zahlt Lohn und hat den Gewinn, den er später allerdings für Belange der Klasse verwenden sollte. (Vgl.: Manfred Huth, Birgit Rinke: Projekt: Lederarbeiten. in: Die Arbeitslehre 3/1979, S. 147-162.)

  3. 3. Herstellung eines Produktes in genossenschaftlich organisiertem Betrieb mit Arbeiterselbstverwaltung
    Alle Schüler sind zu gleichen Teilen an der Finanzierung, an Verlust und Gewinn beteiligt sowie an der Entscheidung Über alle Fragen der Produktion, Arbeitsplatzgestaltung und des Verkaufs. Für ein solches Projekt bietet sich die Herstellung eines Produkts an, das mit wenig finanziellen Mitteln und Risiken zu realisieren ist (z.B. Produktion und Verkauf von Keksen, siehe unten. Vgl. auch: Peter Werner: Zur Organisation eines Schülerbetriebes in: W. Klafki (Hrsg.): Unterrichtsbeispiele der Hinführung zur Wirtschafts- und Arbeitswelt. Düsseldorf 1970. - Hans Schernikau: Produktion und Verkauf. In: Westermann's Pädagogische Beiträge 8/1968.) Ein Projekt, in dem die Schüler ihre sinnlichen Erfahrungen in Kenntnisse, Bewußtsein und Handeln umsetzen, sollte integriert sein in einen konsequenten Arbeitslehreunterricht, d.h., es sollten Kenntnisse vorhanden sein über den Aufbau eines Betriebes, Politökonomie, gesetzliche Grundlagen, ... auch sollten Betriebserkundungen unter politisch-sozialen Aspekten vorausgegangen sein. Wie so ein Vorhaben realisiert werden kann, welche Schwierigkeiten und Probleme dabei auftreten können, möchte ich am Beispiel "Keksproduktion und Verkauf" beschreiben:


Projekt: Keksproduktion und Verkauf. Schüler organisieren einen selbstverwalteten Produktionsbetrieb

Im folgenden wird versucht, die letzte Projektsequenz: Produktion und Verkauf in einem Schülerbetrieb unter Arbeiterselbstverwaltung" skizzenhaft darzustellen. Dabei soll wegen der schon beschriebenen Eigengesetzlichkeit jedes Projekts der Schwerpunkt auf dem Wort "Skizze" liegen. Jeder Kollege sollte diese Problematik bei der "Übertragung" auf die eigene Klasse berücksichtigen, denn ein Projekt ist so, wie es konzipiert ist, nicht übertragbar, sondern kann nur als Modell dienen.

Das Unterrichtsmodell ist klar eingeordnet zu sehen als letzte Sequenz innerhalb der drei beschriebenen Projekte. In diesem didaktischen Rahmen halte ich es auch für eine Aufgabe des Arbeitslehreunterrichts, zukünftige Produktionsverhältnisse zu antizipieren, die nicht unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entsprechen, die aber Gegenstand alternativer Diskussion und Praxis sind und im Rahmen staatlicher repressiver Toleranz auch hier und dort als "utopische, unrealistische Modelle" existieren dürfen. Fortschrittliche Kollegen sollten nicht nur angesichts der gegenwärtigen Krisensituation dafür eintreten, daß Schule unsere gesellschaftlichen Produktions- und Herrschaftsverhältnisse distanziert und kritisch untersucht "und (die Verhältnisse, M.H.) insofern in Frage gestellt werden sollen, als es den Jugendlichen freistehen muß, sich für oder gegen das Bestehende zu entscheiden. Erst wenn sich die Arbeitslehre nicht mit einer bloßen Hinführung zur Arbeitsund Wirtschaftswelt' begnügt, sondern zugleich mit einer kritischen Auseinandersetzung mit ihr befähigt, werden die in den Artikeln 9 und 12 GG garantierten Rechte auch voll in Anspruch genommen werden". (Peter Werner: Zur Organisation eines "Schülerbetriebs". In: W. Klafki: Beispiele der Hinführung zur Wirtschafts- und Arbeitswelt. Düsseldorf 1970, S. 345). Eine harmonisierende Darstellung der kapitalistischen Arbeitswelt ohne Berücksichtigung ihrer Widersprüche und ohne Darstellung alternativer Modelle ist einseitig und als systemimmanente Indoktrination abzulehnen.
Klar muß ebenfalls sein, daß der technologische, ökonomische und politisch-soziale Aspekt nicht gleichgewichtig durch das Projekt abgedeckt werden kann; das Hauptgewicht liegt hier auf der politisch-sozialen Untersuchungs- und Erkenntnisebene. Unter Beachtung dieser didaktischen Reduktion läßt sich das Projekt wie folgt eingrenzen:

Die Planung
Die Phase der Bedürfnisermittlung tritt bei diesem Projekt in den Hintergrund, weil das Erkenntnisinteresse sich aus der differenzierten Analyse und sinnlichen Erfahrung der gegenwärtigen Arbeits- und Wirtschaftswelt herleitet. D.h., die Schüler haben durch ihre bisherige schulische (Projektsequenzen 1 und 2) und außerschulische (Betriebspraktikum, Betriebserkundung) Praxis Widersprüche erkannt. Z. B. antworteten Schüler am Ende der Projektsequenz 2: "Herstellung und Verkauf von Lederprodukten in Serienproduktion in einem Lohnarbeitsverhältnis" auf die Frage: "Was hast Du alles bei diesem Projekt gelernt?" (siehe Kasten).

Auswertung

  Was hast Du alles bei diesem Projekt gelernt?
  • ... wie es in einem Betrieb zugeht,

  • ... etwas über den Arbeitsvertrag, Betriebsratarbeit, Kündigung, Kosten und Gewinn, Geschäftsleitung, Geschäftsbericht, Betriebsversammlung,

  • ... daß Arbeiter einen Betriebsrat wählen müssen, um ihre Rechte richtig zu vertreten und durchzusetzen,

  • ... daß im Betrieb die einen den anderen was zu sagen haben: 1. Chef, 2. Meister, 3. Arbeiter,

  • ... was Arbeiter und Unternehmer für Rechte und Pflichten haben,

  • ... wie das Verhältnis von Chef zu Arbeitern ist,

  • ... wie man Leder schneidet, näht und nietet,

  • ... daß wir mehr erreichen können, wenn wir alle zusammenhalten,

  • ... wie man seine Interessen vertritt,

  • ... wie es ist, wenn man Akkord arbeitet

  • ... wie anstrengend Arbeit sein kann, man kriegt kaputte Finger,

  • ... wie monoton Arbeit sein kann; Kopfschmerzen entwickeln sich daraus.

  • ... wie man zusammenarbeitet und zusammenhält,

  • ... daß nicht jede Arbeit Spaß macht und leicht ist,

  • ... wie es bei der Verkaufsplanung und beim Verkauf zugeht,

  • ... daß man bei der Arbeit vieles nicht darf,

  • ... daß man den Arbeitsvertrag genau lesen muß, ehe man ihn unterzeichnet,

  • ... daß man oft einfach etwas tun muß, was man gar nicht so möchte,

  • ... ich habe gelernt, wie es später aussieht, wenn ich zur Arbeit gehe, und warum sich Vater und Mutter genervt fühlen, wenn sie von der Arbeit kommen. Eben weil die Belastung der monotonen Arbeit so groß ist.

Quelle: Manfred Huth / Birgit Rinke: Projekt: Lederarbeiten. In: Die Arbeitslehre 3/1979, S. 162. 

Die Antworten 4, 6, 10, 11, 12, 14, 16, 18 u. 19 z. B. bieten einen ersten Ansatz zur vorbereitenden, einführenden und planenden Diskussion des angestrebten Projekts. Auf dieser Grundlage werden aus weiteren unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Erfahrungen genügend Widersprüche zusammenkommen, um dann Überlegungen zur Ursache oder zum Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit zu ermöglichen. Die Folge sind dann Gedanken zu Produktionsverhältnissen, die die bisher erkannten Widersprüche verringern bzw. lösen. Weitere Folgen: die formulierten Hypothesen müssen im Projekt überprüft und später an den vorgegebenen gesellschaftlichen Rahmen auf Realisierungsmöglichkeiten hin untersucht werden.
Mögliche von den Schülern aufgestellte Bedingungen eines veränderten Produktionsprozesses:

Das herzustellende Produkt sollte gemäß folgender Kriterien ausgewählt werden:

Dle Durchführung
Die Beschreibung der Durchführung beschränkt sich auf die Darstellung der Teilschritte. Die von den Schülern aufgestellten Maximen sind unbedingt einzuhalten, um sie später auf ihre Praktikabilität hin diskutieren zu können. Der Lehrer sollte Mitarbeiter im Schulbetrieb sein und sich rollengemäß verhalten. Betriebsversammlungen auf  Tonband mitschneiden, um bei der Auswertung auf Fakten zurückgreifen zu können. (Die Darstellung der Teilschritte folgt im wesentlichen der fundierten Aufbereitung eines Backprojekts auf genossenschaftlicher Grundlage von Heinz Schernikau: Produktion und Verkauf, in: Westermann's Pädagogische Beiträge 8/1968).

Diskussion der Aufgaben und Einteilung der Arbeitsgruppen:

Probebacken
Beim Probebacken beobachtet die Klasse die Backgruppe und protokolliert die Tätigkeiten (Arbeitszeiten, Belastungsgrad der Arbeitsplätze, Leerlauf ... ). Die Gruppen beginnen aufgrund der Beobachtungen mit ihrer Arbeit: aus der erzielten Keksmenge wird die für die Endproduktion benötigte Relation der Zutatenmenge errechnet (für 200 bis 250 Packungen zu je 100 g), Preisvergleiche werden vorgenommen, der Produktionsplan wird unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Schulküche für die Großproduktion erarbeitet, Wechsel und Ablösung bestimmter Arbeitsplätze mit der Probebackgruppe besprochen. Verpackungs- und Werbegruppe diskutieren und legen Vorschläge für die Gesamtdiskussion vor. Die Finanzgruppe kalkuliert den Selbstkostenpreis, erkundigt sich nach dem Ladenpreis vergleichbarer Kekse und macht einen Endverkaufspreisvorschlag.
Die Arbeitsergebnisse der Gruppen werden von der gesamten Belegschaft kritisch erörtert und beschlossen. Kontrovers diskutierte Vorschläge gehen in die Gruppen zurück zur weiteren Bearbeitung gemäß dem Stand der Klassendiskussion.
Backrezept und Arbeitsanweisung
Zutaten:
2 Eier, 50g Zucker, 50 g Weizenmehl, 30g Maizena oder Gustin, 3g (1 gestrichener Teelöffel) Backpulver.
Zubereitung:
Das Eigelb mit einem Schneebesen etwas anschlagen und nach und nach 2 /3 des Zuckers dazugeben. Danach so lange schlagen, bis eine kremartige Masse entstanden ist. Das Eiweiß zu steifem Schnee schlagen. Der Schnee muß so fest sein, daß ein Messerschnitt sichtbar bleibt. Dann unter ständigem Schlagen nach und nach den Rest des Zuckers dazugeben. Dann den Schnee auf die Eigelbcreme geben. Darüber das mit Gustin und Backpulver gemischte Mehl sieben. Altes vorsichtig unter die Eigelbcreme ziehen (nicht rühren). Den Teig mit einem Spritzbeutel auf ein gefettetes mit Mehl bestäubtes Backblech spritzen und sofort backen. Backzeit etwa 10 Minuten bei 175 bis 195 Grad (Ofen vorheizen).


Die Produktion

Dauer: 2-3 Tage je 3-4 Stunden.

Auswertung
Die Auswertung konzentriert sich auf die Oberprüfung der aufgestellten Hypothesen. Die Schüler beantworten in Einzelarbeit folgende Fragen:

Die anschließende Diskussion wird unumgänglich verschiedene gesellschafts- und wirtschaftspolitische Vorstellungen und bisherige Modelle miteinbeziehen und auf ihre Vor- und Nachteile zu überprüfen haben. Besonders hier muß sich der Lehrer mit eigenen Wertungen sehr zurückhalten und mehr die Aufgabe wahrnehmen, ergänzendes Material bereitzustellen. Untersuchungsansätze und weitere Unterrichtseinheiten zur gründlicheren Analyse vorzuschlagen. Auch "utopische" Vorstellungen sollten ernsthaft besprochen und nicht mit dem Spruch: "Was es bisher nirgends gibt, darf auch nicht gedacht werden"' vom Tisch gewischt werden. Selbstverständlich steht jedoch die Realität im Vordergrund, konkret: Veränderbarkeit gemäß gewerkschaftlicher Vorstellungen und gewerkschaftlicher historischer und gegenwärtiger Praxis. Wo möglich, sollte am Schluß die Erkundung eines genossenschaftlich organisierten Betriebes stehen bzw. Analyse und Erkundung verschiedener Modelle der betrieblichen Mitarbeiterbeteiligung. Diskussionsrunden mit Gewerkschaftern und Vertretern der Unternehmerverbände über die eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse sowie über geseIlschaftspolitische Perspektiven sind sehr fruchtbar.


Literatur




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