"Wir machen unseren Unterricht jetzt selber!"
Manfred Huth
In: Manfred Huth u.a. (Hg.): Das AOL Projekte-Buch. 250 Projekte und Ideen für eine lebendige Schule. Handbuch zum Schulalltag 3. Reinbek: Rowohlt 1986. - Nachdruck und 2. Auflage: Lichtenau: AOL-Verlag 1992. S. 62-69.
Thema:
"Wir machen unseren Unterricht jetzt selber!"
Lehrerinnen1 und Schülerinnen
erarbeiten gemeinsam die Themen für den Deutsch- und Politikunterricht:
Inhalte werden gemeinsam ausgesucht, die Schwerpunkte der gewählten
Unterrichtseinheiten gemeinsam bestimmt; gemeinsam wird darüber nachgedacht,
mit welchen Mitteln und mi t wessen Hi1fe der gewähl te Stoff erschlossen
werden kann.
Hilfsmittel:
keine
Kl asse:
9. Realschulklasse der Volks- und Realschule Fabriciusstraße
Dauer des Projekts:
40-50 ganz normale Schulstunden sowie Gruppenerkundungen
nachmittags/abends.
Fazit:
Diese Unterrichtsform ist unmöglich für Lehrerinnen, die sich sklavisch an die Lehrpläne klammern und nicht bereit sind, das eine oder andere vorgeschriebene Thema auszulassen zugunsten intensiven Lernens am selbstgewählten.
Lehrerin + Klasse sollten sich qut kennen.
Kontaktadresse:
Manfred Huth, Calle de Juan Bravo, 51 Dupdo - 9° Izq.,
E-28006 Madrid, Tel.+Fax: ++34-91-309 27 75, e-mail: mhuth@lander.es,
http://www.lander.es/~mhuth/manfred/index.html
Kosten:
keine
Beteiligte:
31 Schülerinnen
1 Lehrerin
1 Referendarin
Evi: «Ich finde es gut, daß wir wissen, was und warum wir
etwas lernen, also erst einen Plan aufstellen, der von uns kommt. Denn man
lernt ja nicht gern etwas Ungewisses. Dadurch, daß wir über alles,
was im Unterricht läuft, mitbestimmen, wissen wir, daß wir das
bekommen , was wir wollen; eben weil wir es selber machen. So 'ne
Selbständigkeit finde ich gut, denn erst dann hat man ja die
Möglichkeit, zu seinen Gunsten zu wählen und zu handeln.»
Wolfgang: «Ja, ich finde es auch gut, daß die Auswahl der Themen und die Planung des Unterrichts gemeinsam von uns allen gemacht werden. Es ist halt anders, wenn man in der Schule lernt, wozu man auch Lust hat, als wenn man vom Lehrer alles vorgesetzt bekommt. Auch denk ich: wenn wir hier mitbestimmen und lernen, wie wir es wollen, dadurch steht man dann im Leben nicht so da und hat eine Meinung, die man vertritt.» Werner: «Ja , ich find das auch alles, aber eins ist nicht so ganz klar; wie geht das eigentlich ... na, so die Mitbestimmung ... das wäre ja ... aber in einem Unterricht?» (Auszug aus einer Diskussion am Anfang unserer projektorientierten Arbeit.) |
Auslöser dafür, den Unterricht anders zu gesalten
war wohl das von Schülerinnenseite artikulierte Unbehagen am bisherigen
Unterricht: «Ach muß das sein, schon wieder!» - «Kannst
du denn nicht einmal was Interessanteres für den Unterricht
raussuchen?» - «Schon wieder den Tageslichtprojektor - ja, ja,
und dann wieder den Senf in die Mappen schreiben!» - «Laß
uns lieber ein Eis essen gehen - einmal wieder was Nettes machen!» Wer
kennt nicht ähnliche Schülerinnenäußerungen und die
strapazierende, entmotivierende Wirkung - besonders dann, wenn mensch glaubt,
sich besonders gut vorbereitet zu haben? Es mußte also was geschehen.
Vielleicht doch mal einfach nur «was Nettes» zusammen machen -
ein Wandertag wurde geplant, an die Elbe ging's. Das Wetter war herrlich,
die gegrillten Würstchen schmeckten prima. Hier hatten wir keine Probleme.
«Wie kommen wir nur wieder dazu, daß wir uns auch im Unterricht
besser verstehen und miteinander klarkommen?» Natürlich kamen wir
in Gesprächen während des Ausflugs auch auf diese Fragen.
Natürlich gab es kein endgültiges Ergebnis, doch zeigten sich Konturen:
Schule sollte anders sein als bisher, die Unterrichtsinhalte mehr auf die
Interessen der Schülerinnen abgestimmt sein - weg vom Lehren derLehrerin
und Belehrtwerden der Schülerinnen. Wir beschlossen, das Gespräch
im Unterricht weiterzuführen und gemeinsam nach einem Weg zu suchen,
Unterricht für alle wieder erträglicher zu gestalten. Die
Lehrerinnengespräche auf dem Heimweg - es war zu dieser Zeit eine
Referendarin in der Klasse - gingen ums selbe Thema. Eigentlich waren das,
was die Schülerinnen äußerten, ja auch unsere Ansprüche
und Zielvorstellungen: Der Stand von Wissenschaft und Technik macht eine
zunehmende Aktivierung aller Menschen unserer Gesellschaft zur Teilnahme
an politischen Entscheidungsprozessen nicht nur möglich, sondern
nötig. Wie sollen sich Menschen für ihre Interessen einsetzen,
wie handeln, wenn viele gesellschaftliche Sozialisationsinstanzen und auch
die Schule den politischen Zustand der «Demokratie ohne Demokraten»
zementiert? Was hatten wir als Lehrerinnen bisher getan, um den
Schülerinnen ihre aktive Rolle innerhalb der Gesellschaft bewußt
zu machen? Welche Bedingungen hatten wir geschaffen, um es ihnen zu
ermöglichen, sich nicht als Objekte, sondern als Subjekte unterrichtlicher
Prozesse zu sehen? Gut, unsere Inhalte hatten immer den gesellschaftlichen,
womöglich auch den historischen Bezug, zielten auf Entblätterung
von Widersprüchen, waren angelegt auf das, was uns wichtig erschien
hinsichtlich ihrer späteren Rolle als Lohnabhängige. Das Wichtigste
jedoch schienen wir vergessen zu haben, nicht aber unsere Schülerinnen.
Durch die Artikulation ihres Unhagens hatten sie genau auf den Punkt gebracht,
was fehlte: das Erlernen des Lernens. - Es folgten konkretisierende
Gespräche im Klassenverband über die «neue» Schularbeit
- der Gesprächsausschnitt auf der zweiten Seite des Beitrags stammt
aus dieser Phase -, wir faßten den Entschluß, gemeinsam den Versuch
zu beginnen; zumindest der Politik- und Deutschunterricht sollte von nun
an anders werden. - Zunächst ging's an die Erstellung einer Liste
möglicher Themen. Lehrpläne wurden durchgesehen: «Was steht
da eigentlich für die uns noch verbleibenden zwei Realschuljahre drin;
welche Themen der Klassen 7 und 8 haben wir eigentlich behandelt, welche
nicht; was interessiert uns über diese vorgeschriebenen Themen
hinaus?» Am Ende dieser Phase hatten wir eine Politik- und
Deutschthemenliste mit den bislang nicht behandelten Lehrplanthemen für
die Klassen 7-10 sowie den von den Schülerinnen selbst eingebrachten
Unterrichtsideen. Am Ende der sich anschließenden Debatte blieben immerhin
vier von allen akzeptierte Deutschthemen und vier für den Politikunterricht
übrig. Da wir epochal arbeiten wollten, standen uns acht Stunden pro
Woche zur Verfügung. Unser Vorhaben gemeinsamer Planung und
Unterrichtsdurchführung wollten wir zuerst im Deutschunterricht
erproben.
Unser erster Versuch
Folgende Themen standen auf unserer Liste:
1. Verschiedene Formen von Macht und Gewalt in der Literatur.
2. Krieg: unterschiedliche Sichtweisen.
3. Beruf und Arbeit in der Literatur.
4. «Bravo» und andere Jugendzeitschriften.
Bei unserem allerersten Versuch «Macht und Gewalt» hatten wir uns auf folgende Arbeitsteilung geeinigt: Die Texte2 sollten von dem Lehrerinnenteam ausgewählt und kurz der Klasse vorgestellt werden: literarische Form und kurze Inhaltsskizze. Der Schwerpunkt der Schülerinnenarbeit sollte bei dieser Einheit darin liegen, in Gruppen den jeweils ausgewählten Text vorzubereiten und dann im Unterricht mit der ganzen Klasse zu erarbeiten. Ziel jeder Interpretation sollte es sein, am jeweiligen Text die gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsstrukturen offenzulegen, lhre Entstehung sowie die Möglichkeit der Veränderung zu untersuchen. Für die Gruppenarbeit erstellten wir folgende Anweisungen:
Anfertigung einer schriftlichen, knappen Inhaltsangabe.
Schriftliche Formulierung der im Text thematisierten Machtstruktur, ihrer Entstehung und möglichen Veränderung.
Grobskizze des geplanten Stundenverlaufs einschlieblich der Diskussionsschwerpunkte.
Jede Stunde wird mit den Lehrerinnen vorbesprochen.
Dieser Prozeß des Absteckens der Interessengebiete, der Formulierung
der Themenbereiche, der Diskussionsprozesse bis zur endgültigen Bestimmung
der Texte, der Erstellung der Gruppenarbeitsanweisungen dauerte etwa zwölf
Stunden. Sicher kann mensch hier schon mit Stirnrunzeln die aufgewendete
Zeit kritisieren, lediglich: «Demokratie muß sich etwas Zeit nehmen.
Die Diktatur ist die schnellste aller Verwaltungsformen.» Nach der
Gruppenarbeit ging's dann ans selbständige Unterrichten; das war schon
ein toller Moment für die Schülerinnen, aber auch für uns.
Zwar trugen die meisten Schülerinnenstunden unsere methodisch-didaktische
Prägung - wie sollte es auch anders sein -, aber nicht wir standen vor
der Klasse, es waren eben die Mitschülerinnen, und das veränderte
die Situation. Die Klasse arbeitete so konzentriert mit wie lange nicht,
übte solidarische Unterstützung bei kleinen «Pannen»,
stellte am Ende der Stunde vornehmlich das Positive heraus - sicherlich auch
deshalb, weil alle wußten, daß sie selbst eben auch
«dransein» würden mit «ihrem» Unterricht, vielleicht
war dieser Unterricht aber auch schon zu einem kleinen Stück ihre eigene
Sache geworden. Am Ende der Deutscheinheit wurde jedoch der reduzierte, noch
stark lehrerinnengeprägte Ansatz immer stärker von
Schülerinnenseite bemängelt. Bei Planung der sich anschließenden
Politikeinheit wollten wir diese Erfahrung besonders berücksichtigen.
Unser zweiter Versuch
Folgende Themen standen zur Abstimmung:
Popmusik und Profite für das Kapital.
Sexualität und Moral in unserer Gesellschaft und anderswo.
Wie die Familienerziehung unser Leben beeinflussen kann.
Probleme von Gastarbeiterinnenkindern.
Mit großer Mehrheit ausgewählt wurde die Einheit über
«Erziehung». - Wie nun beginnen? Die von uns Lehrerinnen vorgelegte
Grobstrukturierung wurde von der Klasse rundum wegen des zu hohen theoretischen
Anspruchsniveaus abgelehnt. Andererseits fühlten sich die Schülerinnen
zu Recht überfordert, eine ganze Unterrichtseinheit von Anfang bis Ende
präzise selbst vorzuplanen. Was tun?
Ein kurzer Auszug aus dem folgenden gemeinsamen Planungsgespräch
(S = Schülerin, SSS = mehrere Schülerinnen, L = Lehrerin):
L: Ja , ihr hattet ja gestern unsere Vorplanung für den Unterricht abgelehnt. Wir finden inzwischen auch, daß eure Kritik richtig ist, obwohl bei uns nun ein Fragezeichen steht. Wir wissen jetzt auch nicht so recht, wie weitermachen. - Ja bitte . . . S: Es sind keine Filme drin - es gibt doch da so einen Katalog zum Filmebestellen; wenn wir den vielleicht mal durchsehen könnten. L: Ja, ich denke, das ist eine gute Möglichkeit ... S: Ich weiß nicht, ob das geht... Vielleicht könnte man ja ein Gespräch mit Sozialhelferinnen oder so... S: Wie stellst du dir das vor, Wolfgang? S: Es muß doch eine Stelle geben, wo so Sozialhelferinnen, die in Familien oder auch ins Lager gehen, sind. Ich denke, daß man sich mit denen mal unterhält, die haben doch Erfahrung darin, was wir untersuchen wollen. S: Ich kenne da jemand, die jede Woche ein- oder zweimal im Lager arbeitet, die könnten wir einladen. S: Das finde ich gut. Aber auch auf jeden Fall sollten wir in die Grundschulklassen hier an unserer Schule gehen, daß man da auch mal beobachten kann z. B. die Sprache oder das Verhalten der Kinder; vielleicht können uns die Lehrerinnen auch was erzählen. S: Wie soll denn das eigentlich vor sich gehen; ich meine, daß wir alle da in eine Grundschulklasse? SSS: reden durcheinander. L.: Vielleicht sollten wir uns melden und dann immer gegenseitig drannehmen. Ja bitte, Evi. S.: Also, in die Klassen gehen besser immer kleine Gruppen, die können dann doch uns allen berichten. - Aber ich meine, daß wir zur Information auch Bücher lesen sollten; vielleicht auch Fernsehen - aber da ist immer alles so gestellt in den Sendungen. Kolbe. S: Man muß j a nicht unbedingt so Familiensendungen oder so 'n Koks sehen, aber es gibt doch auch so wissenschaftliche Sendungen, wo darauf Bezug genommen wird, was wir machen. Wolfgang. S: Ja, so Filme, in denen man sieht, wie Kinder auf einzelne Sachen reagieren. Manfred. L: Ja, ich glaube, daß es im Fernsehen auch solche Sendungen gibt, die ein wenig wlssenschaftlich aufgebaut sind. Aber wir alle müßten uns diese Sendungen dann immer abends vorher ansehen und am nächsten Tag drüber sprechen. Uta. S: Ja, das finde ich gut. Aber wir müssen uns genau informieren und ein Fernsehprogramm für die Klasse aufstellen, daß man auch weiß, was wann kommt. Andrea. S: Ja, aber ich würd zusätzlich noch sagen, daß man in die Bücherhalle gehen sollte, nachmittags oder so ... Werner. S: Gibt es da nicht auch irgendwelche Stellen, wo man erfährt, was sich so in Familien abspielt oder so? L: Kennst du da oder kennt ihr da irgendwie solche Stellen? SSS: durcheinander: Jugendamt, Sozialbehörde, Sozialhelfer, Bewährungshelfer ... |
Gemeinsam brachten wir die genannten Einzelpunkte in eine Reihenfolge und teilten die Arbeit nach Interessengruppen auf. Diese gemeinsame Sammel- und Planungsphase hat sich als extrem motivierend für die weitere Arbeit erwiesen. Besonders wichtig war die Erfahrung, das eigene Resultat in Händen zu halten und sagen zu können: «Das ist unser eigner Plan, nach dem wir arbeiten werden!»
Folgende in unserem Arbeitsplan festgelegten Gruppenaktivitäten bestimmen
die erste Sequenz unserer Unterrichtseinheit:
Gruppe 1: Erstellung eines Analysebogens für Familiensendungen
im Fernsehen; gemeinsame Erprobung an Hand einer Sendung.
Gruppe 2: Entwicklung eines Fragebogens zur Lebensgeschichte
der Schülerinnen in der Klasse; Durchführung der Fragebogenaktion,
Auswerten, Vorstellen der Ergebnisse.
Gruppe 3: Durchsicht von Zeitschriften z. B. Eltern, Brigitte
usw. auf für unser Thema brauchbare Artikel; ausgewählte Artikel
mit der Klasse diskutieren.
Gruppe 4: Lesen des Buches von K. Lappe und E. Meueler:
Hauptschüler: Keine Chance? Oder doch - aber wie? Weismann, München
1975. Wichtige Stellen aus dem Buch heraussuchen und im Klassenunterricht
behandeln.
Gruppe 5: Durchsicht des Landesbildstellenkataloges auf Filme,
Hörspiele, Lichtbildreihen zum Thema Bestellen und Sichten des Materials;
Aufbereitung der ausgewählten Medien für den Gesamtunterricht.
Gruppe 6: Erkundung der Stadtteilbücherei, Ausleihe und
Sichtung des Materials, Auswahl und Aufbereitung geeigneter Texte für
den Klassenunterricht.
Gruppe 7: Kontakte zu den Grundschullehrerinnen herstellen,
Hospitationen und Gesprächstermine vereinbaren; Ergebnisse der gesamten
Klasse vermitteln .
Gruppe 8: Kontakte herstellen zum Sozialamt, Jugendamt,
Fürsorge ... Gesprächstermine vereinbaren; Ergebnisse in die
Gesamtgruppe einbringen
Gruppe Lehrerinnen: Vorbereitung des Unterrichts zur Frage: Was sind eigentlich gesellschaftliche - Schichten, was sind gesellschaftliche Klassen?
Fragen zur Sozialisation der Schülerinnen
1. In welchen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt deine
Familie? 2. Wie bist du aufgewachsen? (Geschwister? Wer gehört zum Haushalt? Wer hat die Erziehung übernommen?) 3 . Wie ist dein schulischer Ausbildungsgang verlaufen?
4. Wie ist dein Verhältnis zu deinen Eltern? 5. Welche Ereignisse haben dich in deinem Leben entscheidend beeinflußt? (und warum?) Erwähnenswerte Vorkommnisse in deinem Leben? |
Nach diesem Muster erfolgten bei dieser Unterrichtseinheit noch
zwei weitere Sequenzen, deren ausführliche Beschreibung jedoch nicht
viel weiterhelfen würde. Insgesamt benötigten wir für Planung
und Durchführung der drei Sequenzen etwa 50 Unterrichtsstunden, nicht
gerechnet die außerschulischen Gruppenaktivitäten. Die Motivation
war gleichmäßig hoch, was u. E. nicht zuletzt durch die
Schwerpunktverlagerung der Schülerinnenaktivitäten hinsichtlich
der Planungsebene zu erklären ist. Im Vergleich zur Deutscheinheit wurde
der Lerninhalt eben durch die eigene Planung wesentlich stärker ihre
Sache. Unsere Hauptfunktionen waren während dieser Einheit reduziert
auf: Organisation der benötigten Materialien, Koordination der
Einzel-/Gruppenaktivitäten, Gruppenberatung.
Abschließend einige Voraussetzungen, vielleicht auch Grenzen, die es
zu schaffen bzw. zu überwinden gilt, will mensch mit seinen
Schülerinnen ein ähnliches Vorhaben angehen:
Von nichts kommt nichts. Schülerinnenselbstbestimmung ist ein Prozeß und muß in kleinen Schritten gelernt werden, um Phasen der Desorientierung und des Chaos möglichst gering zu halten. Das heißt bei Unterrichtsvorbereitung immer die Fragen stellen:
«Können das, was ich für den morgigen Tag an Materialien gerade zusammenstelle , nicht auch Schülerinnengruppen in selbständiger Arbeit leisten?»
«Sind die Inhalte, die ich in Matrizen- oder Lehrbuchform
meinen Schülerinnen vorsetzen will, nicht besser durch Anschauung,
Erkundung, Expertinnenbefragung vor Ort zu untersuchen?»
Training von Fertigkeiten und Arbeitstechniken im Normalunterricht,
da ohne ein Minimalrepertoire selbständiges Arbeiten unmöglich
ist, also Partner-, Gruppenarbeit, Protokoll-, Referattechnik,
Wandzeitungserstellung, Interviewführung, Beherrschen der Diskussionsregeln
... sind notwendiges Rüstzeug.
Problem und Grenze zugleich ist die zunehmend engere Einbindung
aller Fächer in Curricula. Doch es gibt auch hier Ecken und Nischen:
Ein bestimmter Stundenanteil im Lehrplan ist immer freigehalten für
Themen eigener Wahl. Außerdem sei es dem Erfinderinnengeist der Kolleginnen
anheimgestellt, dem von den Schülerinnen gewählten Kind"
einen passenden Lehrplannamen" zu geben.
4. Jede prüfe sich vorher selbst: Bei konsequenter
Mitbestimmung der Schülerinnen ist die Lehrerin bei Widersprüchen
nur auf die Überzeugungskraft ihrer Argumentation angewiesen. Das
heißt, es kann passieren, daß bei konkurrierenden
Lehrerinnenansprüchen und Schülerinneninteressen die Schülerinnen
sich durchsetzen - das ist nicht immer leicht zu verkraften.
5. Unbedingt vorher zu bedenken ist der Aspekt der
zusätzlichen zeitlichen Belastung, die ohne Frage auftritt. Entlastend
allerdings das Wegfallen des täglichen K(r)ampfes um die Aufmerksamkeit
der Schülerinnen im Normalunterricht.
6. Schwieriger ist dieser Ansatz durchzuführen in Fächern, deren Themenfolge durch sachlogische Kriterien bedingt ist; zusätzliche Komplikationen schafft das leistungsdifferenzierte Kurssystem mit unterschiedlicher Schülerinnenzusammensetzung an Gesamtschulen.
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Anmerkungen:
1 Im folgenden Beitrag wird durchgehend die weibliche Form verwendet, aus pädagogischen Gründen.
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2 Geeignete Texte zum Thema «Macht» finden sich u. a. in: Texte Texte Texte. Lesebuch für das 9. Schuljahr. Bayerischer Schulbuch Verlag, München 19732; K.-H. Fingerhut / N. Hopster (Hg.): Politische Lyrik, Diesterweg, Frankfurt/Berlin/München 19742; kontrast-Heft 1/74, 1/75, 2/75, 4/75, 1/76, u. a. Verzeichnis anfordern bei: kontrast-Verlag, Wartekuppe 26, 3500 Kassel.
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