Welche Möglichkeiten bietet
projektorientierter Unterricht
für die Entfaltung der sprachlichen Fähigkeiten
migranter SchülerInnen


Manfred Huth

In: Info DaF 4/1993, S. 414-427.

1.WAS IST PROJEKTPÄDAGOGIK?

Projektunterricht (PU) ist modern geworden und in aller Munde: es wird schwer sein eine LehrerIn zu finden - auch nicht in den neuen Bundesländern - welche diesen Begriff nicht zumindest kennt, es gibt keine didaktische oder auch allgemeinpädagogische Zeit-schrift, die nicht in irgendeiner Form diese Thematik an ihre Le-serInnen gebracht hat, FachdidaktikerInnen nehmen den Trend auf und lassen sich über das Thema aus - vorsichtige sprechen von "projektorientierter Arbeit" und legen sich dabei nicht so fest.
Nun ist es aber noch lange nicht so, wenn von PU gesprochen wird, daß alle dasgleiche meinen - mensch konstatiert eher, daß der Be-griff "Projekt" oft dann verwendet wird wird, wenn es um Unter-richtsarbeit geht, die sich unterscheidet von traditionellen For-men des Lehrens und Lernens, z.B. wird manchmal sogar schon eine problemorientierte Ue als Projekt bezeichnet. Wieder andere sprechen von Projekten im Zusammenhang mit offenen Un-terrichtsformen, auch Simulationen und Rollenspiele haben schon das Prädikat Projekt be-kommen. Die eben-falls z.Zt. modischen Lern- und Übungsformen wie Freiarbeit, handlungsori-entiertes, handelndes oder erfahrungsbezogenes Lernen und Leh-ren,.. werden oft synonym verstanden.
Dieser inflationäre Gebrauch des Begriffs nötigt zu einer Präzi-sierung: PU unterscheidet sich von allen anderen nicht traditio-nellen Unterrichtsformen dadurch, daß darunter nicht nur eine Me-thode zu verstehen ist, mit der jeder beliebige Inhalt bearbeitet wer-den kann. In der pädagogischen Diskussion hat sich neben ande-ren Auffassungen ein engerer Projektbegriff (Jürs, 1991 / Huth, 1988 / Stubenrauch, 1976 / Suin de Boutemard, 1976) herausgebildet, der durch 3 Wesensmerkmale gekennzeichnet ist:

  1. PU hat die Verbesserung der (gesellschaftlichen) Verhältnisse als Ziel (Gesellschaftsbezug). Dieses Ziel sollte zuminde-stens im Projekt angelegt sein, damit PU nicht nur zu einer wei-teren metho-dische Krücke wird, die dazu dient, SchülerInnen eine zeitlang an der Stange zu halten bei der Beschäftigung mit Inhalten, die ihnen nicht wesentlich sind.
  2. Eng mit dem ersten Merkmal verbunden ist ein zwei-tes Wesensele-ment, die Selbstbestimmung der SchülerInnen beim PU. Deutlich ist der Zusammenhang zum Gesellschaftsbezug: Wenn SchülerInnen ihr Lernen selbst bestimmen sollen, muß der Unterrricht ihre Lebenszu-sammenhänge betreffen. Lebenszusammenhänge sind immer auch gesell-schaftlich bedingt. PU un-tersucht und verändert - wenn auch nur z.B. durch Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse ein winziges Stückchen gesellschaftliche Realität.
  3. PU ist handelnde Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.

Diese 3 Wesensmerkmale des PU genügen zur Abgrenzung von ande-ren Unter-richtsformen und Methoden, die ich nicht ablehne und die selbstverständlich bei schülerIn-nenorientiertem und lustvollen Lernen ihren Platz haben, zumal manchmal die Übergänge zum PU wirklich fließend sind und SchülerInnen im Umgang mit diesen Me-thoden für die Projektar-beit wichtige Teilkompetenzen erwerben.

Zur Beurteilung dessen, was PU nun eigentlich pädagogisch und im Lernprozeß leistet, ist ein Vergleich mit traditionellem Unter-richt (tU) nötig, der zuerst fächerunabhängig vorgenommen werden soll:
TU folgt einer Fachsystematik. Die Fachsystematik des tU läßt kei-nen Platz für die jeweilige Subjektivität und die aktuellen Inter-essen der SchülerInnen, gelernt wird nicht das, was zur Zeit die SchülerIn-nen interessiert, sondern was gemäß jeweiliger Fachsyste-matik dran ist, momentane Befindlichkeiten werden nur dann in den Unterricht integriert, wenn sie gerade in die Systematik passen. TU ist ange-legt auf eine lange Durststrecke und geduldiges Aufneh-men der von der LehrerIn servierten Lernhäppchen, die sie in me-thodische Ar-rangements verpackt und damit schmackhaft zu machen versucht. Die SchülerIn in diesem Unterricht ist verurteilt zur Rezeption und Passivität, sie ist Objekt, das traktiert wird mit allen mög-lichen Wissenselementen, die ihr gleichgültig oder fremd sind, sie lernt in der Regel nicht um der Inhalte willen und rich-tet sich aus nach der Benotung.

PU dagegen bearbeitet eine in sich geschlossene Aufgabe in Form einer Fragestellung oder eines herzustellenden Produktes. Das Pro-jekt ist abgeschlossen, wenn die Fragestellung beantwortet oder das Produkt hergestellt ist. PU gewährleistet, daß die jeweilige SchülerInnensubjektivität, die aktuellen Probleme und Interessen der Schülerinnen zum Unter-richtsgegenstand werden und dadurch kon-krete Lebenshilfe geleistet wird. Die SchülerIn wird ernstgenommen und als Subjekt verstanden. PU ermutigt sie zum Eingreifen, zum offensiven Lösen momentaner Probleme, zum aktiven Verfolgen der eigenen Interessen: nicht nur in der Schulstube sondern auch und gerade in der Wirk-lichkeit, nicht permanent unter Anleitung und Kontrolle sondern selbständig und selbstbestimmt. - Projektpädago-gik ist eine ermuti-gende Pädagogik, die angelegt ist auf Emanzipa-tion des SchülerInnensubjekts.

TU findet in der Regel in der Schule statt. Realbegegnungen sind selten und auch nur dann dran, wenn die Fachsystematik dafür Lüc-ken läßt bzw. sie an bestimmten Stellen als Ergänzung oder methodisches Mittel empfiehlt.
Beim PU ist es unabdingbar, daß Schule nicht der einzige Lernort bleibt, sondern SchülerInnen aus der Schule hinausgehen, um selbstständig ihre selbstbestimmten Aufgaben zu bewältigen. We-sentlich dabei ist die Erfahrung, ohne die LehrerIn in einer Ernstsituation zu agieren. Unabdingbar beim PU ist auch, daß Le-benswirklichkeit in die Schulstube geholt wird. Wenn SchülerInnen z.B. eine ExpertIn einladen und in der Klasse befragen, erfahren sie sich als AkteurInnen, die sich selbständig Informationen be-schaffen können, die nicht ständig dem Wissens-, Informations- und Meinungsmonopol der LehrerIn ausgesetzt sind, sondern sie selbst sind die OrganisatorInnen ihres eigenen Lernprozesses. Diese Schü-lerInnenerfahrung ist unabhängig davon, ob die LehrerIn bei der Informationsbearbeitung benötigt wird oder nicht. Die SchülerIn erlebt die Abnabelung vom Gängelband und vom Denken der LehrerIn, sie lernt selbstständiges Lernen. - PU stärkt das Vertrauen in die eigne Kraft und vermittelt Kompetenzgefühl.

Traditionelles Lernen hat keinen direkten Realitätsbezug. Lernen vollzieht sich in der abgeschirmten Schulstube, Wirklichkeit wird nur gefiltert hereingelassen, selbst bei ehrlichem Bemühen traditioneller Didak-tikerInnen und LehrbuchmacherInnen. Ge-lernt für die Wirklichkeit wird nicht in ihr sondern aus Büchern.

PU vollzieht sich in direkter handelnder Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. SchülerInnen lernen auf diese Weise Strategien zur aktiven Aneignung und Gestaltung der Realität. - PU aktiviert die SchülerInnen zum produktiven Umgang mit der sie um-gebenden Welt - auch nach der Schule.

Tragendes Element des TU ist die Zensierung und die damit verbundene Selektion. Gäbe es dieses Zwangsinstrument nicht, würde es traditionelles Lernen in dieser Form nicht geben, da nichts aber auch nichts anderes für die SchülerIn im tU zählt als das Ab-schlußzertifikat, das darüber entscheidet, ob mensch später auf der Sonnen- oder Schattenseite des Lebens steht. Die gegenwärtige Situation an der Hauptschule verdeutlicht das sehr gut: jede HauptschülerIn weiß sehr genau, daß sie vom Leben in dieser Ge-sellschaft nichts zu erwarten hat und zum letzten Drittel der Gesellschaft gehört. Die uns allen gut bekannte Zensurenpeitsche als ständige Begleite-rin der ZensorIn fruchtet hier nicht mehr, da das Hauptschul-Abschlußzertifikat nicht den Aufstieg in die oberen Zweidrittel garantiert. Der Leidensdruck der KollegInnen ist an dieser Schulform so groß ge-worden, daß tU gar nicht mehr durchführbar ist und sie sich ein-fach etwas an-deres einfallen lassen mußten, dies auch taten und tun mit stillschweigendem Einverständnis der Kultusbürokratie, die froh ist, wenn Unterricht überhaupt abläuft an dieser Schulform für den gesellschaftlichen Rest.

Projektarbeit wird grundsätzlich nicht zensiert von einer übergeordneten ZensorIn, deren Urteil die SchülerIn ausgeliefert ist. Angst und Konkurrenzverhalten widersprechen kollektivem, solidari-schem und selbstbestimmtem Lernen. Projektarbeit wird bewertet von jeder einzelnen SchülerIn und zwar in Hinsicht auf die Arbeit der Gesamtgruppe bzw. der Untergruppen als auch in Form von Kritik und Selbstkritik im Hinblick auf jede SchülerIn. Diese Bewertung wird nicht erst am Ende des Projektes vorgenommen, sondern in Reflexi-onsphasen nach erreichen/nicht erreichen von Teilzielen. PU befä-higt zur Kritik und Selbstkritik.

Die Angst vor Zensuren und damit verbundener Selektion ist nicht zu unterschätzen. PU bietet den SchülerInnen die Möglichkeit des Lernens ohne ständige Anwesenheit einer ZensorIn innerhalb und außerhalb der Schule. Es ist eine Binsenweisheit, daß Lernen ohne Angst intensivere Aneignung zuläßt und mehr Spaß bringt. - PU ist effektiv und lustvoll.


2. DAS DEN PU LEITENDE MENSCHENBILD

Der Vergleich mit dem tU gibt viele Argumente für den PU. Es kommt aber noch ein wichtiger Gesichtspunkt hinzu.
Pädagogische und didaktische Entscheidungen basieren auf der Über-legung, welches humane Ziel denn durch Unterricht erreicht werden soll, anders gesagt: Welches Menschenbild steht hinter päd-agogischen und didaktischen Bemühungen, welche Persönlichkeiten sollen die Schüle-rInnen werden dürfen, damit sie ihr zukünftiges Leben meistern können? Unterricht, der SchülerInnen ernst nimmt, strebt als Ziel an, daß sie zu Menschen werden, die in der Lage sind, sich die Wirklich-keit gestaltend anzueignen. Sie sollen sich selbst bestimmen wollen und nicht die Butter vom Brot nehmen las-sen. Sie sollen radikal die Forderung nach einem menschenwürdigen, genußvollen Leben für alle stellen und solidarisch dafür streiten.

Das Durchdringen unserer gesellschaftlichen Realität ist zunehmend komplexer geworden. Es ist heute nicht absehbar welche neuen (Epo-chen)Probleme und Widersprüche es morgen neben den alten geben wird. Um in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nicht scheinbaren ExpertInnen ausgeliefert zu sein, benötigen Menschen heute und morgen das Vertrauen auf die eigene Kraft zum selbstän-digen Lernen auch komplizierter Sachzusammenhänge. Dabei hat sich in BürgerInneninitiativen - genötigt durch die gesellschaftliche Kampfsituation - das Lernen in Gruppen als besonders fruchtbar herausgestellt. Projektlernen vollzieht sich analog zum Lernen in BI-Zusammenhängen; daran in Anlehnung kann mensch das angestrebte Menschenbild der Projektpädagogik so formulieren: Der aufgeklärte Mensch, der in Kollektiven solidarisch Widersprüche aus eigner Be-troffenheit untersucht, gesellschaftliche Bedingtheiten entdeckt, die Ursachen erforscht, die Ergebnisse veröffentlicht und kollek-tive Gegenwehr or-ganisiert.


3. NUR NOCH PROJEKTUNTERRICHT?

Das heißt nun aber nicht, daß sich Lernen in der Schule nur noch in Projekten vollziehen soll, das wäre eine Überforderung der SchülerIn-nen und der LehrerInnen bzw. würde eine neue Schulkonzep-tion nötig machen, vor allem aber die Auflösung des traditionellen Fächerkanons bedeuten.
PU soll integraler Bestandteil des Regelunterrichts sein und wo und wann mög-lich und nötig praktiziert werden. Jeder Unterricht benötigt Lehr-gangshasen und Phasen der Abstraktion vom Konkreten. Lehrgangsleh-ren und -lernen sind oft sogar Bestandteile von Projek-ten, weil bei der tätigen Auseinandersetzung Defizite deut-lich ge-worden sind, die ausgeglichen werden müssen, um weiterar-beiten zu können. In diesem Zusammenhang wird Lehrgangslernen funktional und von der SchülerIn auch akzeptiert. Deshalb bilden PU und Elemente des tU eine Einheit.


4. PROJEKTUNTERRICHT IM DAZ-UNTERRICHT?

Wurden bisher Unterricht schlechthin betreffende Sachverhalte und Probleme untersucht, soll im weiteren die Frage beantwortet werden, ob denn PU auch im speziel-len Falle des Deutschlernens in Deutschland von Menschen unterschied-licher Mut-tersprache uneingeschränkt empfohlen werden kann, weil er der bessere Unterricht ist.

Die Haupteinwände gegen projektorientiertes Lernen sind hier:

  1. Fremdsprachenunter-richt, Sprachlehren und -lernen folge einer Systematik, die im Un-terricht eingehalten werden muß: didaktisches Zauberwort ist die Progression.
  2. Sprachliches Handeln in Ernstsituationen könne erst erfolgen, nachdem die SchülerIn sich im Unterricht eine solide Sprachkompe-tenz-Grundlage angeeignet habe.

Selbst wenn mensch beides gelten lassen mag für FU, das soll hier nicht weiter untersucht werden - für das Lernen von DaZ jedenfalls sind diese Argumente nur sehr sehr eingeschränkt gültig, in der Verabsolutierung sind sie geradezu absurd. Buch- und Schulstuben-lernen sind das Gegenteil dessen, was Migran-tInnen und Flüchtlinge vor und nach der Schule in ihrer Lebenswirklichkeit erleben, wo sie sich immer wieder neu bewähren müssen. Das beste kommunika-tiv aufge-baute und an möglichen Problemen von MigrantIn-nen in Deutsch-land orientierte Lehrbuch läßt die Wirklichkeit außen vor bzw. nur in sehr reduzierter Form in die Schulstube. Viel wichti-ger aber: das tagtägliche Sprachhandeln und Sprachlernen der MigrantIn in der deutschen Ernstsituation wird ignoriert und abqualifiziert.
Projektorientierter DaZU, der die Wirklichkeit als Anwendungs- und Lernort nützt, der die aktuellen Befindlich-keiten und Interessen der MigrantInnen aufgreift, nimmt diese nicht nur ernst, sondern wertet auch ihre privaten Lernbemühungen auf und unterstützt sie, indem er Strategien liefert, mit dieser Wirklichkeit auch alleine nach der Schule besser sprachlich fertig zu werden. Projektorien-tierter DaZU nimmt die MigrantIn ernst, bestätigt ihre pri-vate Lernarbeit (um die sie nicht herumkommt, denn sie muß Sprache nun einmal anwenden, will sie nicht in Isolation und Hunger umkom-men) und ermuntert sie zum selbständigen Anwenden und Aneignen der Zweitsprache in der realen Ernstsituation - hier finden sich deut-liche Parallelen zu Freires Verständnis vom Lernen an den für das aktuelle Leben wichtigen Be-griffen und Zusammenhängen.
DaZU mit MigrantInnen und Flüchtlingen erfordert noch mehr als je-der andere Unter-richt das Einbeziehen ihrer Subjektivität und ih-rer momentanen In-teressen und Bedürfnisse, weil sie mehr als an-dere LernerInnen tagtäglich vor Problemen stehen als Fremde in ei-nem fremden Land.

Wesentliche Aktivitäten des gegenwärtigen traditionellen DaZU sind: Zuhören, Lesen, Schreiben, Antworten und Diskutieren. Diese Aktivitäten sowie das Fragen sind auch die zentralen Tätigkeiten jeder Projektarbeit im DaZU - nur: bei der Projektarbeit wird Sprache angewendet in kommunikativen Zusammenhängen sowie mit praktischer Zielsetzung in der Ernstsituation. Sowohl im Plenum als auch in der Kleingruppe ohne die LehrerIn wird deutsch kommu-niziert, wenn mensch von multinationalen Lerngruppen ausgeht. Der Unterschied zum traditionellen DaZU ist: Mi-grantInnen wis-sen, warum sie das tun, warum sie lernen. Sprachler-nen ist mit der Wirklichkeit verbunden, wird für die MigrantIn funktional und nicht zur Qual, ein zufällig an der Schule vorhan-denes Lehrbuch durchackern zu müssen.
Da im PU Teilaufgaben von Kleingruppen gelöst werden, besteht beim Zusammentragen der Ergebnisse nicht nur der Zwang zu spre-chen, sondern auch die Notwendigkeit zu lehren, den anderen die Teiler-gebnisse verständlich machen. Dies ist eine zusätzliche Qua-lifikation, die das Erlernen sprachlicher Strategien und Redemit-tel bedingt.

Zwei wesentlichen Zielen des Sprachunterrichts kommen MigrantInnen bei der Arbeit an fast jedem Projekt näher:

  1. Gesprächsfähigkeit mit dem Ziel funktionierender Verständigung.
  2. Grammatisch und lexikalisch richtiges Sprechen und schreiben z.B. bei der Präsentation und Veröffentlichung der Projektergeb-nisse - grammatisches Lernen wird nun funktional, weil für jede SchülerIn einsichtig ist, daß z.B. ein Flugblatt, das auch gelesen wer-den soll, grammatisch richtig aufgebaut sein muß. Solche Gram-matiklernarbeit wird nicht als stures sinnloses Pauken erlebt (was dann doch nicht angewen-det wird). Die Sprachmittel sind dran, weil sie aktuell benötigt werden, nicht weil irgendein pro-gredientes Vorgehen es gebietet.

Nicht zu unterschätzen ist auch das Lernen grammatischer Strukturen durch direkte Korrektur bzw. durch intuitiv richtige Wiederholung der falsch produzierten Sequenzen von den jeweiligen muttersprach-lichen Kommuni-kationspartnerInnen. Auch sollte mensch die Migran-tIn ermuntern, beim Sprechen mit MuttersprachlerInnen diese als SprachexpertInnen zu behandeln und sie um Korrektur bitten: "... oder wie wie sagt mensch das richtig?" - Traditioneller Unter-richt dagegen entkoppelt Ler-nen von der Lebenssituation und der Anwendung.

Vielleicht ist es eine Überlegung wert, ob es Ähnlichkeiten gibt zwischen Mutterspracherwerb, dem "natürlichen" Sprachlernen im fremden Land "auf der Straße" und PU. Sicher jedenfalls ist, daß sich zum PU mehr Ähnlichkeiten feststellen lassen, als zum tradi-tionellen DaZU: Muttersprachlernen und natür-liches Sprachlernen orientieren sich wie auch der PU vornehmlich an dem "was", an re-alen Problemen und nicht nur an dem "wie", der sprachlichen Form und an einer Progression - wiewohl intuitives defek-tives Sprechen der Eltern mit ihrem Kind bzw. der MuttersprachlerInnen mit der na-türlichen SprachlernerIn auch irgendwie progredient ist.


5. VORAUSSETZUNGEN FÜR PU IM LERNBEREICH DAZ SCHAFFEN

PU mit MigrantInnen und Flüchtlingen, bei dem die LehrerIn neben allgemeinen Zielsetzungen der Projektpädagogik auch noch die Ent-faltung sprachlicher Fähigkeiten im Auge haben muß sowie eingehen muß auf die psychische Befindlichkeit der MigrantInnen, gilt es besondere Voraussetzungen zu schaffen:
Die Lerngruppengröße sollte 12 SchülerInnen nicht überschreiten. Hinter diese bildungspolitische Forderung darf nicht zurückgefal-len werden - Reform ist nicht zum Null-Tarif zu haben.

Jede KollegIn, die DaZ unterrichtet, sollte darauf dringen, zumindest aber die kostenneutralen Voraussetzungen für PU zu schaf-fen:

  1. Schulorganitorisches:
  2. Die eigne LehrerInnenrolle muß durchdacht und das eigne Lehre-rInnenverhalten selbstkritisch untersucht und möglicherweise ver-ändert werden: Wichtig ist es, sich von dem Lernbuchlehren zu lö-sen und die Migrantin in den Mittelpunkt des pädagogischen und di-daktischen Handels zu stellen sowie Projektthemen den SchülerInnen nicht überzustülpen sondern mit ihnen aus ihrer augenblicklichen Befindlichkeit abzuleiten. Das alles ist nicht ganz einfach, beson-ders wenn mensch jahrelang, wenn auch unzufrieden mit dem Resul-tat, traditionellen Sprachunterricht erteilt hat.
  3. Es muß genau untersucht werden, welche Lern- und Arbeitsvor-aussetzungen MigrantInnen und Flüchtlinge aus ihren ihren Her-kunftsländern mitbringen. Die LernerInnenbiografien sind deshalb so wichtig, weil durch ihre Kenntnis und Beachtung verhindert wird die Über-forderung der MigrantInnen bzw. die eigne Enttäuschung, wenn nicht alles gleich so funktioniert wie mensch es sich gedacht hat. Selbstständiges und kollektives Arbeiten muß gelernt werden und Hindernisse der jeweiligen LernerInnenbiografien müssen über-wunden werden durch sensibles Training in kleinen Schritten und mit über-schaubaren Aufgabenstellungen. Die LehrerIn sollte dreimal überle-gen, ob die SchülerInnen nicht überfordert werden und an-schließend resignieren. D.h.: wenn nötig, bis ins Detail jede außerschulische Aktivität vorbesprechen, z.B.: WO anrufen, WEN in-terviewen, WAS herausbekommen wollen, WIE etwas sagen, WELCHE Fra-gen stellen, WIE nachfragen - WER fragt, WER protokolliert, WER beobachtet und notiert sich die Beobachtun-gen - WER bedient den Kasettenrekorder, Fotoapparat, Videokamera (Bedienungsweise noch-mal zeigen lassen, kontrollieren, ob Filme, Leerkassette, Vi-deoband dabei ist,..) - WELCHE Busse und Bahnen müssen benutzt werden und und und ...


6. PROJEKTORIENTIERTES ARBEITEN IM DAZU - WIE FANGE ICH AN?

Obwohl zu einem späteren Zeitpunkt für bestimmte Projekte der Klassenverband aufgelöst werden kann, wenn mehrere DaZ-Lerngruppen an einem Lernort existieren, beginnt projektorientiertes Arbeiten im Klassenverband. Der reguläre Unterricht bleibt generell erhal-ten, Blockungen und Stun-denverschiebungen sind möglich.

  1. 1.Es gelten folgende allgemeine Prinzipien (nach H. Speichert, 1982: Praxis produktiver Hausaufgaben.):
  2. Sozialformen wie Gruppenarbeit, PartnerInnenarbeit,.. sind dann einzusetzen, wann immer es möglich ist.
  3. Einbeziehung der MigrantInnen in die Themenfindung und Unter-richtsdurchführung:
  4. Immer wann möglich und funktional werden Arbeitstechniken geübt: Nachschlagen, Zusammenfassen, Zusammenarbeiten, Arbeitsmittel ge-brauchen, Darstellungs- und Veröffentlichungsformenformen lernen, z.B. Collage, Wandzeitung,.. Befragungstechnik für Interviews, Stichwortprotokoll, Bedienung technischer Geräte,..
  5. Immer wann möglich und sinnvoll werden Formen der Veröffentli-chung in Handlungszusammenhängen trainiert: Klassenzeitung, Unter-richtsbuch, (LeserIn-nen)Brief an kranke MitschülerIn, LehrerInnen-konferenz, Schullei-tung , Flugblätter, Wandzeitung, Plakat, Ap-pell, Vortrag auf einer (Eltern)Versammlung, Reportage, Bericht, Film, Hörspiel, Ton-Dia-Schau, szenische Darstellung z.B. Schul-hoftheater, Aktionen, Hap-penings, Forderungskataloge, Ansteckbut-tons herstellen,..
  6. Die LehrerIn stellt Stunden zur freien Verfügung der SchülerIn-nen = "Freiarbeit": Ermöglichung selbstorganisierter Arbeit gemäß in-dividuellem Arbeitsrythmus und persönlichen Möglichkeiten, ein-zige Maßgabe: die SchülerInnen müssen etwas machen, was mit Deutsch zu tun hat und in deutscher Sprache abläuft - Vorausset-zung ist, daß in der Klasse eine Materialfülle vorhanden ist, die aber in solchen Freiarbeitsstunden eher redu-ziert eingesetzt wer-den sollte, damit die MigrantIn nicht im Über-angebot untergeht bzw. die LehrerIn die Übersicht behält: Rätsel und Spiele, Bild-karteien, Textkarteien, Anregungen zur freien Textproduktion be-reitstellen durch stimulierende Materia-lien: Fo-tosammlung mit of-fenen Situationen, Bilder(geschichten), Anregun-gen zu Umfragen und Interviews im Rahmen der Klasse oder der Schule,.. (D. Baillet, 1989, in: Anders lernen im Fremdsprachenun-terricht, S. 58 ff., Gervé: Freiarbeit. AOL-Verlag 1991. Hostenta-schenbuch 13, S. 60ff.).
  7. DaZU findet statt auch in anderen vornehmlich praktischen Fä-chern: Basteln, Technik und Kochen, Sachunterricht als Sprachlernsitua-tion (P.M.Roeder, ca.1970; U.Maas: Kann man eine Sprache lernen? Frankfurt 1976 - spricht von Unterricht im Verbund-rahmen). - Erfahrung und Sprachlernen werden gekoppelt: wenn z.B. das Rezept nicht richtig gelesen und das Essen dement-sprechend zubereitet ist, schmeckt es nicht - Sprachlernen wird funktional.

7. PROJEKTE IM DAZ

Ich übernehme die Einteilung in Projektbereiche von Krumm (Fremd-sprache Deutsch
4/1991, S. 58 ff.), anhand derer ich Beispiele für DaZ-Projekte gebe:

Textwerkstatt in der Klasse:

  1. Klassenzeitung: Themensammlung, Texterstellung, Korrektur, dann Schönschrift oder Schreibmaschine, Vervielfältigung. Für die Schü-lerIn hat die Veröffentlichung einen großen Wert, weil ihre Texte es sind, die in der Klassenzeitung stehen, ihre Arbeit ist vergenständlicht in der Zeitung. Hinsichtlich des Sprachlernens hat "das natürliche Grammatiklernen die scholastische Grammatik ersetzt" (Freinet), denn die SchülerInnen wollen natürlich auch, daß ihre veröffentlichten Texte grammatisch richtig sind, deshalb fragen sie nach und fordern geradezu Korrektur.
  2. Klassenreisetagebücher
  3. Schultagebücher
  4. Ich-Hefte (Hegele/Pommerin): Name, Aussehen, Gewicht, Wohnort, Straße, Familie, Geschwister, Hobbies und Vorlieben,.. / Wo komme ich her? / Wie die Schule in meiner Heimat war. / Die Schule hier. / Was ich hier mag - was ich hier nicht mag. / Was ich tun will, wenn ich groß bin. / Was will ich einmal werden. / Wenn ich Schullei-terIn wäre. / Meine beste FreundIn. / Wann spreche ich in welcher Sprache. / Wo ist meine Heimat. / Hobbies, beste FreundIn, Essen und Trinken. / Ein Zeugnis für meine LehrerIn. / Mein Schultag. / Was ich in der Schule am liebsten bzw. überhaupt nicht gerne tue. / Mein liebster Traum. / Arbeitsverteilung zu Hause im Haushalt,.. - dazu Fotos, Bilder und Zeichnungen. - Diese authen-tischen Äußerungen der SchülerInnen werden zum Unterrichtsgegen-stand und initieren dadurch erfahrungsentfaltenden und verständi-gungsorientierten Deutschunterricht.
  5. Ein Tag in meinem Leben - vielleicht Fotogeschichte - ein Tag im Leben der HausmeisterIn, der LehrerIn, der Mutter,.. (Gerd Bren-ner: Kreatives Schreiben. 1990.)
  6. Betextung von Fotomaterial / Fotoroman: Ausflüge, Erkundungen, Unterrichtsarbeit wird fotografiert und die Bilder mit Text verse-hen, es entstehen Fotodokumentationen, bei denen die MigrantInnen im Mittelpunkt stehen sowie ihre Erfahrungen mit dem Leben hier.
    Eine andere Möglichkeit ist das erfinden von Fototextdarstellungen zu Themen wie: Erfahrungen im Herkunftsländern mit Schule, Fami-lie, Arbeit, Erziehung, politischer Situation,.. Wie ist das bei uns mit dem Heiraten?
    Oder es werden Erfahrungen in Deutschland verarbeitet, z.B. Bei der AusländerInnenbehörde! - In der Disco. Angebote für MigrantIn-nen im Stadtteil.
    Vorteil: Fotobetextung ist schon mit sehr geringen Sprachmitteln also auch ganz am Anfang des Sprachlernens möglich.
    Veröffentlichung als Klassen- bzw. Sondernummer der SchülerInnen-zeitung, Wandzeitung, Kalender, Ausstellung,.. (Stitz/Weber, 1985)
  7. Produktion schülerInneneigner Texte: fortsetzen, zerschneiden und neu zusammensetzen, Verändern, Umschreiben, Modernisieren, selber Erfinden, nach Vorlagen neu gestalten,.. - Viele Anregungen finden sich in Veröffentlichungen der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Küppelstein 34, 5630 Remscheid 1) sowie in den Ver-öffentlichungen von Ingrid Mummert (1989) und Jahn/Kirn (1983). - Veröffentlichungsmöglichkeiten: eigenes Buch herstellen, an Ju-gendzeitschriften (Samsolidam, ASW, Hedemannstr.14, 1000 Berlin 61 / eulenspiegel, terre des hommes, Alte Dorfstr. 70, 5170 Jülich-Broich / Menschenskinder, Cäsariusstr. 17, 5300 Bonn 2 /...) schicken, Literaturlesungen veranstalten, an Wettbewerben teilneh-men,.. - hier gibt es schon fließende Übergänge zum nächsten Pro-jektbereich.

(Text)Kontakte aus der Klasse heraus:

  1. Klassenkorrespondenz über Sprachkassetten, Collagen und Briefe: Sich vorstellen / Was mensch gerne ißt / Collage über Popstaridole anfertigen / "Discjockeys" stellen die Klassenhitparade auf einer Ton-kassette zusammenstellen und kommentieren die Lieder / Popsongs aus der Heimat werden übersetzt / eine Sportzeitschrift, eine Re-zeptesammlung mit Rezepten aus den einzelnen Herkunftsländern wer-den zusammengestellt / Film- und Ju-gendbuchempfehlungen / ein Mi-nikurs z.B. arabisch - deutsch wird erstellt mit Floskeln wie: Guten Tag, wie geht es Dir ... ich heiße ... ich wohne / ... (A.Rath, in: B. Müller (Hrsg.): Anders lernen im Fremdsprachunter-richt.)
  2. Zweierschaftslernen: SchülerInnen verschiedener Niveaus arbeiten stundenweise zusammen, es entstehen PartnerInnenschaften - Lernen wird individualisiert und dadurch intensiviert bzw. die LernerIn-nen werden aktiviert, Lernen wird eigenverantwortlich gestaltet. Zweierschaftslernen orientiert sich am Erstspracherwerb in der eingespielten, individualisierten und Verhaltenssicherheit geben-den Eltern-Kind-Beziehung; Ziel ist die Gesprächsfähigkeit, des-halb ist das Gespräch Zweck des Lernens; über die Inhalte der Ge-sprächsstunden sollten die SchülerInnen mitbestimmen und auch frei entscheiden können - Angebote bereithalten, wenn nicht gleich Kom-munikation zu Stande kommt; die LehrerIn sollte nicht in den Räu-men sein. Wichtig ist wie auch beim Tandem-Lernen die Sympathie. Die geistigen Wurzeln liegen bei Bell/Lancaster, Otto und Illich (Wolfgang Stei-nig: Schüler machen Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr Verlag 1985).
  3. Radio-/Fernsehsendung im Offenen Kanal: Wir über uns! Wir in ei-ner fremden Stadt! Warum wir hier sind! - Die Sendungen kann mensch vielleicht auch zwei- oder dreisprachig machen. (Vergl. U.Scheufele in: J.Gidion u.a. (Hrsg.): Gestalten der Sprache. 1987.
  4. Texte spielen, z.B. Balladen szenisch umsetzen (auswendig ler-nen, deutlich sprechen und singen, Mimik und Gestik, Kostüme, Ku-lissen,.. (U. Stölzle, in: J. Gidion,..)
  5. Ton-Bild-Schau zu allen möglichen Themen: Klassengemeinschaft - Was machen wir in unserer Freizeit / Tatort Schule / ... (S. Körs-gen, in: J.Gidion,..)


Die Welt ins Klassenzimmer holen

  1. Erfinde eine DeutschE: ein Beispiel dafür, wie PU und Sprachunter-richt sich gut verknüpfen lassen: JedE SchülerIn erfin-det eine DeutschE bzw. beschreibt eine DeutschE (Alter, Wohnort, Beruf) - Einholen von Infos zu den fiktiv konstruierten Personen bis Per-sönlichkeitsbild fertig, die erfundenen Personen treten in Kontakt in Form von Briefen und Rollenspielen, Aufnehmen aufs Band, dann Transskription, Auswertung nach Situationsadäquatheit, sprachlicher Ad-äquatheit, Zielkulturadäquatheit,.. (P. Groenewold, in: Jahrbuch DaF. Bd. 14. München: iudicium verlag 1989, ab S. 275 sehr detaillierte Beschreibung).
  2. Ich stelle eine Deutsche vor: Im DaZ-Unterricht gibt es die Mög-lichkeit, eine tatsächlich existierende Deutsche analog Groenewolds Projekt vorzustellen und danach auch in die Klasse einzuladen.
  3. Migrante AutorInnen werden in Klasse eingeladen zu Lesungen oder Literatur-Workshops (Liste migranter KünstlerInnen zu beziehen über das Diakonische Werk Würtemberg, AusländerInnenref. Heilbronner Str. 180, 7000 Stuttgart 1).


Gegenwart und Vergangenheit untersuchen

Wann sind Fremde in den Ort gekommen? / Aus welchen Gründen wurden sie geholt? / Was haben sie sich von dem Herkommen erhofft, was wurde versprochen? / Wie unterschieden bzw. unterscheiden sie sich von den Einheimischen? / Wie verarbeiten Fremde ihre Situation in der Zielkultur? / Was veränderte sich am Ort durch Fremde? / Wie lange bleiben Fremde fremd? / Welche Schwierigkeiten und Probleme gibt es bei Mischehen, -beziehungen? / Gedanken und Gefühle ange-sichts des Nationalismus und Rassismus von Angehörigen der Ziel-kultur. / Meine Erfahrungen als Flüchtlingskind mit Behörden und Institutionen (Arbeitsamt, AusländerInnenpolizei,..) / Die Geschichte meiner Familie. / Persönliche Erfahrungen als Einwande-rInnenkind. / ... - Sicher gibt es noch andere untersuchenswerte Frage-stellungen über das Zusammenleben von Fremden und Einheimischen im Ort oder im Stadtteil, durch welche Migran-tInnen die Zielkultur erkunden kön-nen. - Viele Hinweise und kon-krete Projektanregungen finden sich in den Materialien ("Spuren suchen" 2/88 u. 3/89) zu dem von der Kör-ber-Stiftung ausgeschrie-benen Wettbewerb Dt. Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten "Unser Ort - Heimat für Fremde?" (Kör-ber-Stiftung, Pf. 80 06 60, 2050 Hamburg 80). Weitere Projektanre-gungen finden sich im "AOL-Projekte-Buch" und in den "Hits für den Unter-richt" der AOL (Bd. 1-3).


8. LITERATUR ZUR PROJEKTARBEIT IM DEUTSCH-ALS-ZWEITSPRACHE-UNTERICHT

Eine von Hans-Jürgen Krumm zusammengestellte und kommentierte Literaturauswahl zum Thema Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht findet sich im Themenheft "Unterrichtsprojekte" der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch, 4/91 auf den Seiten 58-60.
Die folgende Literaturzusammenstellung bezieht allgemeine fremdsprachliche Lite-ratur nur insoweit ein, wie sich auf den Bereich DaZ direkt übertragen läßt.

8.1 Allgemeine pädagogische Fachliteratur zur Projektarbeit

Friedrich Gervé: Freiarbeit. Was ist das? Wie geht denn das? Wie fange ich an? Beispiele, Materialien, Hilfen, Adressen. Hosenta-schenbuch Nr. 13. Lichtenau: AOL-Verlag 1991. 94 S., 6,80 DM.
Das Buch enthält alles Wissenswerte über die Freiarbeit, Ursprünge und Wurzeln, Kennzeichen und Ziele. Dann wird das Buch ganz kon-kret und gibt detaillierte Tips und Hinweise zu Voraussetzungen und Einstieg, Wochenplan; es folgen eine systematische Auflistung möglicher Aufgaben, Aktivitäten, Arbeitsbeispiele sowie die Zusam-menstellung der notwendigen Materialien mit Herstellungshinweisen und Bezugsquellen. Am Schluß: Verlage, Literatur und Filme, Lern-werkstätten, Projekte, Fortbildung für Freiarbeit.

Manfred Huth: 77 Fragen und Antworten zum Projektunter-richt. Hamburg: AOL-Verein 1988. 128 S., 7,00 DM. - Bezug: AOL-Mutter, Itzehoer Weg 3, 2000 Hamburg 20.
Ein Buch für KollegInnen, die eine Projektwoche planen oder Pro-jektlernen in den Normalunterricht integrieren wollen. Es enthält rechtliche Tips und gute Argumentationshilfen gegenüber Eltern, KollegInnen, Stadtverwaltungen und Aufsichtsbehörden. Außerdem findet sich in dem Buch eine kritische Auseinandersetzung mit der Projekteuphorie.

Gerhard Jürs u.a.: Projekte an Hamburger Schulen. Anre-gungen und Hilfen. 6. Aufl. Hamburg: Selbstverlag 1990. A4-Format, 106 S., 12,00 DM zzgl. 3,00 DM Versand. - Be-zug gegen Scheck oder Vorkasse auf das Konto beim Postgiroamt Ham-burg, BLZ 200 100 20, Nr. 616607-207 bei: Gerhard Jürs, Stefanstr. 14, 2000 Hamburg 70.
Die Broschüre enthält neben wichtigen und neuen Gedanken zur Pro-jektpädagogik vor allem Praxishilfen, die sich in der Schule be-währt haben, u.a.: Planung, Durchführung, Nachbereitung einer Prowo, Organisationsmodelle mit konkreten Beispielen, die Arbeit in der Projektgruppe, Themenlisten von Prowos, Skizzen eizelner Projekte, Fachtage, Projektorientiertes Arbeiten im Regelunter-richt, fächerübergreifende Ansätze in der Sek.II, Literatur.

Horst Speichert: Praxis produktiver Hausaufgaben. König-stein/Ts.: Scriptor Verlag 1982. 231 S., 19,80 DM.
Nicht vom Titel irreführen lassen. Das Buch enthält eine Fülle machbarer Anregungen und konkreter Beispiele für projektorientiertes Arbeiten nach Jahrgangsstufen, Fächern und Themen gegliedert - einige Anregungen verdienen schon die Bezeichnung Projekt.

Projektorientierter Unterricht. Lernen gegen die Schule? Hrsg. v.d. Redaktion betrifft:erziehung. Weinhein u. Basel: Beltz 1976. 102 S., 6,00 DM.
Ein etwas älteres Buch verdient die Aufmerksamkeit von Menschen, die auch an vornehmlich theoretischen Abhandlungen Freude haben: Gedanken zu Themen wie: Projektorientiertes Lernen im Widerspruch des Systems (Herbert Stubenrauch), Konkurrenzlernen und Leistungs-prinzip (Horst Rumpf), Projektlernen - wie macht man das? (Bernhard Suin de Boutemard) 75 Jahre Projektunterricht (Bernhard Suin de Boutemard) usw.

8.2 Beiträge zum projektorientierten DaZ-Unterricht

Irmintraud Hegele / Gabriele Pommerin: Gemeinsam Deutsch lernen. Interkulturelle Spracharbeit mit ausländischen und deutschen SchülerInnen.Heidelberg: Quelle & Meyer 1983. 144 S., 24,00 DM.
Die Autorinnen zeigen, wie im Deutschunterricht die Erfahrungen der SchülerInnen verschiedener Sprache und Herkunft zum Unter-richtsgegenstand werden können. Im Buch werden ganz konkrete Hin-weise gegeben und Projektentwürfe für die Primarstufe "So leben wir" und die Sekundarstufe "Wer bin ich - wer will ich sein" gegeben.

Dietlinde Baillet: Freinet - praktisch. Beispiele und Be-richte aus Grundschule und Sekundarstufe. Weinheim u. Basel: Beltz 1989². 267 S., 32,00 DM.
Das Buch gibt anhand zahlreicher Unterrichtsbeispiele einen Ein-blick in die Veränderungen, die eine Freinet LehrerIn in den Schulalltag bringen kann. Besonders interessant die Kapitel über die Arbeit im Sekundarbereich und die konkreten Tipds und Hinweise zur Einbindung de4r Freinet Pädagogik in den Fremdsprachenun ter-richt.

Jürgen Gidion u.a. (Hg.): Gestalten der Sprache. Deutsch-unterricht und praktisches Lernen. Weinheim u. Basel: Beltz 1987. 222 S., 32,00 DM.
Die vielen guten Projekte mit ihrem Schwerpunkt im Lernbereich Deutsch geben Anregungen für die projektorientierte Arbeit im DaZ-Unterricht. Die einzelnen Berichte sind konkret und reichen von Zeitungs- und Medienprojekten über das Illustrieren, Drucken und Gestalten von Büchern bis zur Einrichtung einer Schreibwerkstatt.

Bernd-Dietrich Müller (Hrsg.): Anders lernen im Fremd-sprachenunterricht. Experimente aus der Praxis. Ber-lin/München: Langenscheidt 1989. 192 S., 24,80 DM.
Klassenkorrespondenz, Freiarbeit, TANDEM-Methode u.a. projektori-entierte Beispiele werden vorgestellt. Erprobt wurden sie im Deutschunterricht im europäischen Ausland. - Eine Unmenge von An-regungen für die projektorientierte Arbeit findet sich in dem vor-züglichen Aufsatz von Dietlinde Baillet - schon allein deshalb lohnt der Kauf des Buches.

Horst Bartnitzky / Ulrich Hecker (Hg.): Deutsch-werkstatt. Handlungsbezogener Deutschunterricht in der Sek.I: Konzepte Beispiele Tips. Essen: Neue-Dt.-Schule Verl.-Ges. 1991. 341 S., 34,00 DM. - ISBN 3-87964-265-6.
Dieses Buch dokumentiert einen handlungs- und projektorientierten Deutschunterricht, bei dem die SchülerInnen experimentieren und agieren - Schule wird zur Werkstatt für Kinder und Jugendliche, Unterricht wird funktional erlebt, weil er aktuelle Erfahrungen und Interessen einbezieht.
Zu folgenden Bereichen des Deutschunterrichts gibt es eine Vielzahl von Unterrichtsanregungen, Projektskizzen, Hinweisen, Tips und Hilfen sowie grundsätzlichen Überlegungen: Sprechen - Schreiben und Rechtschreiben - Handelnder Umgang mit Texten - Nachdenken über Sprache.

Jürgen Stitz / Angelika Weber: Ausländische Jugendliche schreiben. Erfahrungsbezogener Sprachunterricht in der Berufsvorbereitung. Frankfurt: Scriptor Verlag 1985. A4-Format, 328 S., 28,00 DM. - Vertrieb und Auslieferung durch Cornelsen, Bielefeld.
Von MigrantInnen betextete Fotos, die bei der Unterrichtsarbeit, bei Erkundungen, Ausflügen und Festen entstanden sind, zeigen auf welche Weise, sich MigrantInnen die soziale Realität der Zielge-sellschaft aneignen und wie sie Erfahrungen aus dem Herkunftsland sowie die mit dem Migrationsprozeß verarbeiten. Ihre Subjektivität wird auf diese Weise zum Unterrichtsgegenstand. Durch die vielen konkreten Beispiele aus dieser Arbeit erhält die LeserIn einen ausgezeichneten Einblick in die abgelaufenen Unterrichtsprozesse. Die Beispiele: Dokumentation, Herstellung von Foto-Kalendern, Fo-toromanen,.. motivieren dazu, diese Arbeitsweise selbst zu versu-chen. Da Betextung schon mit relativ einfachen Sprachmitteln mög-lich ist, ist diese Projektarbeit auch schon mit AnfängerInnen möglich.

Karl-Heinz Jahn / Karl-Heinz Kirn: Schüler schreiben selbst. Märchen, Parabel, Lyrik, Eulenspiegelei und Par-odie und Utopie als Unterrichtsgegenstand. Weinheim und Basel: Beltz 1983. 234 S., 24,80 DM.
Das Konzept "Selber Schreiben" bedeutet: Texte verschiedener Gat-tungen werden im Unterricht eingebracht und von den SchülerInnen "respektlos" bearbeitet: Um- und Neuschreiben, Modernisieren, Aus-tauschen von Personen, Bildung von Assoziationsketten bis hin zur verdichteten Lyrik - eine Fundgrube für die SchülerInnenschreibwerkstatt.

Ingrid Mummert: Nachwuchspoeten. München: Klett Edition Deutsch 1989. 140 S., 19,80 DM.
Auch dieses Buch gibt eine Fülle von Beispielen für kreativen Um-gang mit Textvorlagen: Lückenfüllen, Zusammensetzen zerschnippel-ter Gedichte, Weiter-, Um-, Neuschreiben und Modernisieren von Textvorlagen, Umgang mit Kalligrammen und konkreter Poesie im An-fangsunterricht, Clusterverfahren und literarische Konstruktions-hilfen für fortgeschrittene NachwuchspoetInnen.

Gerd Brenner: Kreatives Schreiben. Ein Leitfaden für die Praxis. Mit Texten Jugendlicher. Frankfurt: Scriptor 1990. 192 S., 29,80 DM.
Ganz konkrete Tips und Anregung zur Initierung kreativen Schrei-bens sowie zur Durchführung von Projekten: Korrespondenzen in der Lerngruppe, Sprachspiele, Tagebuch und Autobiografie, Foto-Erzäh-lung "Ein Tag im Leben",..

Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.): Ich geb's Dir schriftlich. Junge Leute schreiben. Aktionen, Werkstätten, Wettbewerbe. Remscheid: Selbstverlag 1986. 222 S., 9,50 DM incl. Porto u. Verpackung. - Bezug: BKJ, Küppelstein 34, 5630 Remscheid.
Rund 30 Beispiele von Schreibaktionen, Werkstätten, Wettbewerben; zusätzlich eine Zusammenstellung von z.T. interkulturell angeleg-ten Projekten, die als Bücher erschienen sind, sowie eine Liste mit weiterführender Literatur zum Thema "Selberschreiben".

Christian Alix / Christoph Kodron: Zusammenarbeiten: Ge-meinsam Lernen. Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Schulen verschiedener Länder am Beispiel Deutschland - Frankreich. Ein Beitrag zu: Dialogischem Austausch, in-terkultureller Kommunikation, kooperativem Lernen. Frank-furt: Deutsch-Französisches Jugendwerk 1988. 109 S., ko-stenlos. - Bezug: Dt. Institut f. Internationale Pädagogische Forschung (DFJW): Rhöndorfer Str. 23, 5340 Bad Honnef.
In der Publikation wird gezeigt, wie ein SchülerInnenaustausch durch gegenseitige Materialpakete vorbereitet wird. Dies ist der interessante Aspekt, der Hilfen gibt für Klassenkorrespondenzen mit MigrantInnenklassen innerhalb der BRD sowie mit SchülerInnen anderer Länder, welche auch die deutsche Sprache lernen.

AOL (Hrsg.): Das AOL; Projekte-Buch. 250 Projekte und Ideen für eine lebendige Schule. Handbuch zum Schulalltag 3. Bearb. v. Manfred Huth u.a. Reinbek: Rowohlt 1986. 441 S., 19,80 DM.
Das Buch enthält, nach Fächern geordnet, eine Fülle Beschreibungen (nach)machbarer Projekte, die zwar nicht nur mit MigrantInnen und Flüchtlingen durchgeführt wurden, die sich aber übertragen lassen. Bei den 60 Seiten "Projektideen und Projektskizzen" finden sich unter den Projektbereichen Stadt / SchülerInnenöffentlichkeit / AusländerInnen / Klassenreisen / Trikont / Deutsch viele gute und brauchbare Anregungen für die Arbeit mit multinationalen Schüle-rInnengruppen.

AOL (Hrsg.): Hits für den Unterricht. Das schnelle Nach-schlagewerk für die Fächer Deutsch, Englisch, Franzö-sisch. Bearb. von Gabriela Bähr u.a. Reinfeld: Rowohlt 1989. 254 Sl., 14,80 DM.
Das Buch enthält Empfehlungen von in der Praxis erprobten Unter-richtseinheiten, Spielen, Medien, Projektideen, Zeitschriften,.. für die genannten Fächer. Viele Ideen und Hinweise für projektori-entierten Unterricht können für DaZ übertragen werden. Es befindet sich in diesem Buch aber als Teil des Deutschunterrichts auch ein etwa 40seitiges Kapitel DaZ, dessen Projektideen und Hinweise auf projektorientierte Unterrichtseinheiten direkt verwendet werden können.
Auch in den zwei Folgebänden: Geschichte, Sozialkunde/Politik (1990) und Arbeitslehre (Berufsorientierung, Hauswirtschaft, Tech-nik, Wirtschaft), Erdkunde, Musik, Sport (1991) sind viele Hin-weise, Anregungen und Ideen für projektorientierten Unterricht mit MigrantInnen und Flüchtlingen zu finden.

Der fremdsprachliche Unterricht. 23. Jahrgang, Heft 100: Offener Unterricht. Velber: Friedrich Verlag 1990. Ein-zelverkaufspreis 15,00 DM.
Lernen durch Lehren, Drucken, Freiarbeit, Spiele, Klassenkorre-spondenz, Wandzeitung und Videofilm sowie interessante Anregungen zur Verbindung von projektorientiertem Fremdsprachenunterricht und Friedenserziehung u.v.a.m.

Fremdsprache Deutsch. Heft 4: Unterrichtsprojekte. Mün-chen: Klett Edition Deutsch 1991. Einzelverkaufspreis: 12,80 DM.
Grundlagen der in diesem Heft vorgestellten Sprachunterrichtspro-jektarbeit liefert der Basisartikel von Hans-Jürgen Krumm. Mit den Fragestellungen Unterrichtsprojekte im Fremdsprachen Unterricht - geht denn das? und Unterrichtsprojekte - wie funktioniert das? geht Krumm ein auf landläufige Vorbehalte in der Fremdsprachendi-daktikdiskussion und gibt zugleich Hilfestellung für alle, die er-ste Schritte in Richtung Projektarbeit tun wollen. - Es folgen dann Praxisbeispiele: Interviews in Ernstsituationen, Zirkus, Rundfunkprojekt, Fotoroman, Theater,..

Spuren suchen. Heft 2/88 und Heft 3/89: Unser Ort - Hei-mat für Fremde? Hamburg: Körber-Stiftung 1988 und 1989. Jeweils 1,60 DM. - Bezug: Körber-Stiftung, Kampchaussee 10, 2000 Hamburg 80.
Inhalt der beiden Hefte sind die Ankündigung und die Ergebnisse des SchülerInnenwettbewerbs um den Preis des Bundespräsidenten. Die Wettbewerbsausschreibung enthält viele praktische Anregungen und Hilfestellungen zur Durchführung von Projekten, die sich mit unterschiedlichen Kulturen beschäftigen. - Auch die Publikations-liste der Stiftung anfordern, da auch noch Veröffentlichungen zu anderen Wettbewerben enthalten sind.

Peter Thon: "Ein Buch über mich selbst". Ein Vorschlag zum Förderunterricht in Rechtschreibung. In: Uwe Sandfuchs (Hrsg.): Förderunterricht konkret. Materialien und Unterrichtsbei-spiele für die Jahrgangsstufen 5-9. Bad Heibrunn/Obb. 1990. S. 213-217. 240 S., 23,00 DM.
Der Autor berichtet darüber, wie bei dem Thema "Ein Buch über mich selbst" Rechtschreiblernen funtional wird. Darüberhinaus gibt er eine Menge nützlicher Anregungen, worüber die SchülerIn ihr "Ich-Buch" schreiben kann.

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