Macht Projektunterricht heute noch Sinn?
Gerhard Jürs und Christoph-Joachim Schröder
Hinsichtlich der Frage, wie Schule und Unterricht effektiv auf das Erwerbsleben
vorbereiten, mutet der Projektunterricht kontraproduktiv an: Großer
Aufwand mit geringem Erfolg. Aber man kann sich fragen, ob der Sinn des
Projektunterrichts tatsächlich darin liegt, daß SchülerInnen
besser und mit mehr Spaß den sonst eher trockenen Unterrichtsstoff
sich aneigenen sollen.
Schon die Überlegungen John Deweys weisen in eine Richtung, die im
Schulbetrieb der Gegenwart und in der theoretischen Diskussion leicht links
liegen gelassen wird: Ein gelungenes Projekt vermag Erfahrungs-bereiche und
Entscheidungssituationen in die Schule hineinzuziehen, die der vorgegebene
Lehrplan und konventioneller Unterricht nicht bieten können und damit
auf spezielle Weise zu erziehen.
Diese Behauptung versuchen die Autoren durch Einbeziehung heutiger
projektdidaktischer Positionen, durch historischen Rückblick in die
deutsche Reformpädagogik der Weimarer Republik und durch eigene
schließende Überlegungen kritisch zu entfalten.
Der dabei gewonnene Schlüsselbegriff heißt "persönliche
Verantwortung" - doch nicht für erfolgreiche Lernkarrieren, sondern
für eine solidarische Lebensperspektive.
Einleitung
Beobachter der Diskussion um Erneuerung von Schul- oder Unterrichts-Organisation
bemerken drei gängige Begründungsfiguren.
Erstens: Schulgläubige Politiker und
Wirtschaftsfunktionäre meinen ein Veralten von Schule und Unterricht
gegenüber modernen Anforderungen des Wirtschaftslebens festgestellt
zu haben. Schulreformen sollen demgemäß ein Effektivitätsdefizit
beheben. Historische Beispiele sind die "Wissenschaftsorientierung" der Curricula
in den sechziger Jahren, in Gang gesetzt durch breite bildungsökonomische
Anstrengungen (Stichworte hierzu: "Sputnik-Schock" und Pichts
"Bildungskatastrophe") oder die "Gesamtschulentwicklung", die das Ziel hatte,
mehr junge Menschen zum Abitur zu führen, weil von der modernen Wirtschaft
breithin bessere Qualifikation nachgefragt wird. Aktuell gaben Reden, die
Roman Herzog als Bundespräsident gehalten hat, ein Muster dieser
Argumentationsstrategie.
Zweitens: Neoliberale Vertreter aus Wirtschaft und Politik glauben
nicht (mehr), daß das Effektivitätsdefizit hinsichtlich des
Beschäftigungssystems durch herkömmliche Reformen des vorliegenden
öffentlichen Unterrichts wesens beseitigt werden kann. Sie setzen vielmehr
auf die heilsame Wirkung der Rotstift-Politik, die LehrerInnen und
SchülerInnen dazu zwingt, ihre Schule als Betrieb in einem
marktwirtschaftlichen System aufzufassen (Autonomie-Diskussion). Dadurch
würden Schulen sich zum einen betriebswirtschaftlich rationell verstehen
und organisieren, zum anderen würde Verankerung im Wirtschaftsumfeld
der jeweiligen Schule (z. B. durch Sponsering) - wie von unsichtbarer Hand
gesteuert - eine Anpassung an die Vorgaben des Beschäftigungssystems
ergeben.
Drittens: Viele LehrerInnen und Schulfunktionäre versuchen unter
dem Druck von Wirtschaft und Politik die Effektivität und
Attraktivität ihrer Schule zu steigern ("Innere Schulreform"), zum Beispiel
mit Projekt- lernen, Freiarbeit, fächerübergreifendem Unterricht,
Schulprofilen, Jahrgangsprojekten, Community Education, Schulentwicklung
mit "Steuerungsgruppen" und Evaluationsinstrumenten. Aber sie werfen mit
Recht ein, Unterricht und Erziehung dürfe man nicht allein in der
Effektivitäts-Attraktivitäts-Perspektive betrachten. Man dürfe
die Bildung, mithin die individuelle Entwicklung des kritischen
Bewußtseins, der Autonomie, nicht außer acht lassen. Die Erneuerungen
durch die "Innere Schulreform" würden auch und gerade kritisches
Bewußtsein und individuelle Autonomie stärken.
Insbesondere der Projektunterricht leiste dies in zweierlei Hinsicht: Erstens
durch die in ihm geübte Fähigkeit, eine komplexe Aufgabe,
fächer-übergreifend, in Teamarbeit und nicht in unbegrenzter Zeit
erfolgreich zu bewältigen. Zweitens für das eigene Handeln
gegenüber den von diesem Handeln Betroffenen Verantwortung zu
übernehmen.
Für die folgende Untersuchung heben wir exemplarisch das Projektlernen
als Teil der "Inneren Schulreform" hervor und fragen:
Ist der Projektunterricht in der Reihe jener Versuche zu sehen, die Schule
lediglich effektiver, bzw. attraktiver zu machen, oder steckt in der Projektidee
mehr, genauer: ist sie für die Perspektive der Autonomie bedeutsam,
hat sie also einen erzieherischen Sinn?
Diese Frage ist auch deswegen wichtig, weil sich Tendenzen zeigen, auf Grund
nicht erfüllter Effektivitäts- bzw. Attraktivitäts-Erwartungen,
ihn wieder aus der Schulpraxis zu streichen und stattdessen etwa auf das
Internet zu setzen.
Die Frage nach dem erzieherischen Sinn des Projektunterrichts ist nicht neu.
Im Schulalltag haben engagierte Kolleginnen und Kollegen immer schon den
Anspruch erhoben, der Projektunterricht sei mehr als nur eine Bereicherung
des methodischen Arsenals; vielmehr sahen sie darin einen Hebel zur radikalen
Umgestaltung von Schule und Unterricht. In der wissenschaftlichen Diskussion
zeigt sich dieser Anspruch in den Versuchen, eine Projektdidaktik im Unterschied
zur bloßen Projekt- methodik zu
formulieren1.
Wir verstehen entsprechend in den folgenden Überlegungen unter
Projektdidaktik eine theoretische Herleitung, die mit den Momenten "Erziehung
zur autonomen Person" und "Kritik der überkommenen Institution Schule"
über den Gesichtspunkt "Unterrichtstechnik" hinausweist.
Bei der Suche nach dem erzieherischen Sinn des Projektunterrichts liegt es nahe, die Position von John Dewey, der gemeinhin als Vater des Projektunterrichts gilt, genauer unter die Lupe zu nehmen. Seinen legen-dären Ruf hat nämlich Dewey nicht erhalten durch detaillierte Ausarbeitungen der Projektmethode, etwa durch Auflisten notwendiger Merkmale, sondern durch seine - wie er selbst sagt - "Erziehungs- philosophie", deren Kern eine Theorie des Lernens in der Moderne bildet und aus der sich eine radikale Alternative zur traditionellen Schule ergibt.
1. John Dewey: "Das Verlangen nach dauerndem Wachstum"
Traditionelle Schule widerspricht der Natur des Lernens und ist
nicht auf der Höhe der Zeit. John Dewey legt mit dieser Bestimmung seinen
pädagogischen Überlegungen - erstens eine Anthropologie und zweitens
eine Geschichtsphilosophie zu Grunde.
Seine Anthropologie formuliert die klassische Definition des Menschen als
"Vernünftiges Lebewesen" um in "Lernendes Lebewesen". Dabei ist die
Natur dieses Lernens problemlösendes Lernen, das ein konkretes Ziel
(Bewältigung eines Problems) und ein tätiges Streben (Beseitigung
von Hindernissen, Finden günstiger Bedingungen) nach dem Ziel
voraussetzt.
Im Unterschied zum Alltagsdenken, das den Ertrag des Lernens in der Erledigung
des Problems sieht, betont Dewey den darüber hinausgehenden Ertrag der
Erweiterung der menschlichen Welt durch auf Grund der geistigen Zuwächse
zum Vorschein gekommene neue Herausforderungen höheren Niveaus. Ein
Blick auf die lernende Welteroberung des noch nicht verschulten Kindes belegt
diesen natürlichen Vorgang. Mit dem habitualisierten Können erlischt
die Spannung hinsichtlich des neu bewältigten Problems und der kleine
Mensch wendet sich sogleich den damit im Horizont der individuellen Welt
aufgetauchten neuen Aufgaben zu.
Daß diese natürliche Lernbegierde von der traditionellen Schule
wenig befördert wird, ist eigentlich unbestritten. Dewey erklärt
dies mit der Herkunft unserer Bildungsinstitutionen aus der vordemokratischen
Gesellschaft. Ihre Funktion dort war die Übermittlung kultureller Grundwerte
- geistiger Grundwahrheiten und Führungsqualitäten für die
Oberklassen und korrespondierend Gehorsamstugenden für die Unterklassen
- einer ideologisch und machtpolitisch unveränderlichen
Klassengesellschaft.
Damit kommen wir zu Deweys Geschichtsphilosophie. Sie kennt in der
Menschheitsgeschichte nur einen qualitativen Sprung - von der Vormoderne
zur Moderne.
Was ist mit Moderne gemeint? Dewey versteht darunter eine Gesellschaft, die
sich ständig auf dem Wege des Fortschritts befindet. Sie sieht sich
so und sie handelt so, - andauernd problemlösend die Umwelt
gestaltend2. Das bedeutet, daß
sie die Errungenschaften der (natur)wissenschaftlichen Methode hinsichtlich
des technischen Fortschritts zum Leitbild hat. Nach Dewey ist sie in alle
Lebensprozesse eingedrungen, hat die Gesellschaft revolutioniert und - dies
ist das Entscheidende - revolutioniert sie fortwährend.
Mit Wissenschaften meint Dewey hier nicht Disziplinen der Forschung und Lehre,
die vorwiegend neues Wissen anhäufen und sich von festen Erkenntnissen
leiten lassen, - also nicht die Entwicklung des Wissens innerhalb der Institution
Wissenschaft. Vielmehr wird bei ihm die wissenschaftliche Methode und ihr
Fortschreiten zu einer Haltung gegenüber der Welt: Sich den
Zukunfts-Herausforderungen aktiv mit einem Ziel nach Welt-Verbesserung stellen
und bereit sein, das Potential an Erfahrung zu erweitern und zu korrigieren.
Dewey nennt diesen Vorgang "Reorganisation der Erfahrung". Damit stehen
sogenannte Grundwahrheiten von den Zukunftsaufgaben her ständig auf
dem Prüfstand.
Überraschenderweise identifiziert Dewey diesen Vorgang mit dem Begriff
Demokratie. So lautet sein pädagogisches Hauptwerk programmatisch
"Demokratie und Erziehung"3, in dem
aber von Demokratie ausdrücklich kaum die Rede ist.
Mit Demokratie ist nun freilich weniger ein Regierungssystem gemeint, sondern
mehr die innere Verfaßtheit einer Gesellschaft. Mit Willi Brandt: "Mehr
Demokratie wagen!" nähern wir uns der Vorstellung Deweys.
Die staatliche Demokratie ist verwirklicht in der Gleichheit aller
Staatsbürger hinsichtlich von Recht, Gesetz-(gebung) und
Regierung4. Die gesellschaftliche
Demokratie, die Dewey im Auge hat, ist verwirklicht in der Gleichheit aller
Gesellschaftsmitglieder hinsichtlich der zu lösenden Sachprobleme. Dabei
fallen unter die "Sachen" gleichermaßen technische und moralisch-praktische
Fragen. Wir Menschen sind gleich in unserer Bereitschaft zur ständigen
kritischen Prüfung und Reorganisation des Bestehenden in Hinsicht auf
eine bessere Zukunft.
Man darf nun die wissenschaftliche Methode Deweys nicht mit dem abstrakten
Ideal des kritischen Rationalismus (Popper, Albert) verwechseln; denn das
pragmatistische Ideal der kritischen Prüfung ist hier nicht nur
wissenschaftlicher Maßstab des Fortschritts, sondern gewinnt seinen
eigentlichen Wert in der konkreten Anwendung durch eine Gruppe.
Über das Additive "Vier Augen sehen mehr als zwei Augen" hinaus entsteht
in einer Gruppe - angesichts zu lösender Aufgaben - natürlich Ideen-
und Erfahrungsaustausch und Bewertung. Schon die sich ergebende
Perspektiven-Vielfalt, die das Sprichwort nur unzureichend ausdrückt,
stellt für den Einzelnen eine Bereicherung dar.
Darüberhinaus nötigt die gemeinsam zu lösende Aufgabe unter
der Maßgabe, "die Mühseligkeit des menschlichen Daseins zu
erleichtern"5 mit ihrer Zielgerichtetheit
zur Integration der beteiligten Perspektiven auf einem höheren Niveau.
Davon profitiert das einzelne Gruppenmitglied hinsichtlich seines
Bewußtsein-Wachstums, die Gruppe hinsichtlich der tatsächlichen
Bewältigung der Aufgabe und letztlich - die ganze menschli-che Gemeinschaft;
- nicht etwa nur, weil durch die Zukunftsorientiertheit der jeweiligen
Aufgabenstellung das Arsenal der Fähigkeiten und Fertigkeiten angereichert
worden wäre, - das ist nur die notwendige Vermittlung - , sondern weil
der Sinn- und Bedeutungsgehalt des menschlichen Bewußtseins gewachsen
ist.
Die Erträge "Perspektiven-Reichtum" und "erfolgreiche Problem-
bewältigung" allein stellen Deweys Intention noch nicht hinreichend
dar. Neben dem intellektuellen und instrumentellen Gewinn entsteht nämlich
für den Einzelnen - und das ist für Dewey entscheidend - ein
Bewußtseinszuwachs, der nicht unmittelbar hinsichtlich der Sachziele
verwertbar ist: der individuelle Stolz. Der Einzelne erfährt, daß
sein Bemühen um die Problemlösung - als individuelles Streben -
ein Moment des erfolgreichen Ergebnisses ist.
Damit erhält das Individuum in seinem Streben eine doppelte Anerkennung:
Erstens durch die mit der Problemlösung erfolgten Welterweiterung
(Herrschaft über Sachen) und zweitens durch die Anerkennung der anderen
hinsichtlich des individuellen Anteils. Diese Lust durch Anerkennung stärkt
dann die Grundhaltung, weiterhin zusam-men mit anderen schöpferisch
unzufrieden zu sein.
Damit es zu dieser Erfahrung kommen kann, muß die zu lösende Aufgabe
eine reale und eine in die Zukunft hin offene sein. Hier meint Dewey also
nicht, wie man üblicherweise annimmt, daß das Individuum bei der
Problemlösung in die vorgegebene soziale Welt hineinwächst. Vielmehr
erfährt es sich - mit anderen und für andere, zugleich für
sich - als diese Welt durch Veränderung erweiternd.
Erziehung so anzulegen, daß der Einzelne - angespornt durch die doppelte
Anerkennung - sich immer neuen und schwierigeren Aufgaben zuwendet, nennt
Dewey "Erziehung als Wachstum".
Eine Schule, die nur den kulturellen Bestand der vorhergehenden Generationen
übermittelt, erfüllt ihre Aufgabe angesichts der mensch- lichen
Zukunft nicht. Sie führt zur Heteronomie gegenüber dem Bestehenden,
mithin der Vergangenheit.
Von hier aus kritisiert Dewey:
1. jede Art von Klassengesellschaften, in denen ein universeller
Erfahrungsaustausch durch die gesellschaftlichen Schranken behindert wird.
Wissen und Wissenszuwachs werden dort vor allem zu Instrumenten der
Gruppen-Selbstbehauptung gegenüber dem Klassenfeind und dienen der
herrschenden Klasse zur Privilegien- und Statussicherung.
Wo die wechselseitige Teilnahme an den Erfahrungen nicht stattfindet, da
befindet man sich unter den Normen einer demokratiefeindlichen
Gesellschaft.
2. eine Gesellschaft, in deren Mittelpunkt die Lohnarbeit und der Konsum
stehen, und in der mechanische und geisttötende Tätigkeiten - wie
sie das stark rationalisierte Berufsleben häufig bietet, im Vordergrund
stehen. Ziel in der Arbeitswelt sollen nach Dewey nicht hohe Entlohnungen,
sondern interessante, den Geist in seinem Wachstum anregende Tätigkeiten
sein.
Dewey steht außerdem in strikter Opposition zu der in den sozalistischen
Gesellschaften gängigen Geschichtsvorstellung, nach der die Probleme
an-gegangen werden, um ein Stadium der Problemlosigkeit zu erreichen. Im
Gegenteil, eine Gesellschaft, die sich als problemlösende versteht,
wird tendenziell schwieriger zu bewältigen, weil mit jeder Lösung
mehrere neue Probleme entstehen und damit Vielfältigkeit und Reichhaltigkeit
der geistigen Bezüge des Lebens wachsen.
Das hochrangige Leben des Menschen ist geistiges Wachsen. Und das ist die
Bereitschaft zum lebenslangen Lernen: sich Problemen stellen, in ihnen
Lösungswege planen, alternative Wege ausprobieren und den besten zum
regelmäßig Verwirklichten machen mit der Offenheit, daß
man ihn noch weiter verbessern kann.
Diese Gesellschaft anzubahnen, sie vorzubereiten und zu entwickeln, das ist
die Aufgabe der Erziehung. "Erziehung ist die grundlegende Methode des sozialen
Fortschritts. ..."6
Die in demokratischen Gesellschaften sich äußernden Triebe hinsichtlich der Vervollkommnung der gesellschaftlichen Zustände zu jeweils konkreten Zielen hin bedürfen individueller Träger, bei denen diese Triebkraft vorliegt. Da es aber keine Aufgaben gibt, die unabhängig von den geistigen Wachstumstendenzen des Einzelnen zu lösen sind, bedeutet Lernen immer zugleich auch eine Bearbeitung des eigenen Ichs mit einem dynamischen Resultat: Diese Form des Lernens, sich den Anforderungen zu stellen, d. h. das Aufeinanderstoßen von ich (Ort der eigenen Strebungen) und Welt (als Gegenstand der Beherrschaft und der sich entgegenstellen-den Widerstände), ist lustvoll.
Wenn man Freude am Lernen - und das ist Wachsen - in den Mittelpunkt stellt, wie es Dewey tut, dann ergibt sich eine Schulkritik:
Das Zensurensystem ist schädlich, weil es Klassen-Tendenzen Vorschub leistet und das Streben auf ein abstraktes Belohnungssystem ausrichtet.
Das staatlich verordnete Curriculum verhindert Themen, welche die Auseinandersetzung mit konkreten Gegenwartsproblemen ermöglichen.
Der Fachunterricht sagt dem Schüler nichts, weil er der Fachsystematik folgt. Ihm fehlt die existentielle Verankerung in der Gegenwart des Schülers. Von ihm ist ein zielendes Ausgreifen auf die Zukunft, ein planvolles Vorgehen, nicht möglich.
Die gewöhnliche Sitzordnung (in Reihen) hemmt den Erfahrungsaustausch untereinander.
In den üblichen Klassenverbänden entsteht das Problem der Erfahrungsarmut und -einschränkung.
Zusammenfassung: Eine Gesellschaft, die sich organisiert in Gruppen unter
der Maßgabe der ununterbrochen lebensverbessernden Problemlösung
verwirklicht Demokratie. Und eine Schule, die SchülerInnen darin übt,
konkrete Probleme zu lösen, und diese Bereitschaft als Wert anstrebt,
ist demokratisch. In ihr erhält der Projektunterricht einen hohen
Stellenwert. Nur durch ihn erlebt sich der Einzelne real als wichtig für
den gesellschaft- lichen Entwicklungsprozeß. Die Schule ist, wie Bohnsack
sagt, Erziehung zur Demokratie, wenn sie selbst Demokratie des Kindes- und
Jugendalters ist.
Deweys Erziehungslehre stellt als Ganze den theoretischen Hintergrund für
eine Projektdidaktik dar, weil Erziehung nach seinem Verständnis die
entscheidende Rolle im Projektunterricht spielt: das Wachsen als geistiger
Prozess und die Freude daran, stärker zu werden im Beherrschen der Welt
als in und mit Kooperationspartnern wirkender Einzelner.
Mittlerweile existieren weitere Arbeiten zu einer Theorie des Projektunterrichts
über die Position Deweys hinaus. Für unsere Untersuchung wählen
wir zwei bekannte projektdidaktische Theoretiker: Bernhard Suin de Boutemard
und Johannes Bastian.
2. Bernhard Suin de Boutemard : "Zivilreligion" und Vertrag
Suin macht sich die Projektdidaktik Deweys zu eigen und beansprucht, durch
Einbettung in ein politik-geschichtliches Milieu Deweys Theorie zu erhellen
und anzureichern. Bezogen wird die Projektdidaktik auf das, was Suin in Anlehnung
an Bellah7 Zivilreligion nennt, und
zwar Zivilreligion der USA.
Die Zivilreligion ist ein gemeinsames ideologisches Orientiertsein der
Bürger am Guten - als Grundlage der Staatsordnung und als Ziel für
das politische Handeln, das meist religiös begründet ist. Diese
religiöse Begründung ist jedoch unabhängig von kirchlicher
Zugehörigkeit.
Nun sieht Suins Zivilreligion-Rekonstruktion zu Deweys Theorie - kurz gesagt
- so aus:
Die US-Amerikaner betrachten von der Zeit der Pilgerväter an bis heute
ihre Geschichte als großes Projekt in Anlehnung an die biblischen
Erzählungen über des Volk Israel. So wie die Israeliten der
ägyptischen Knechtschaft entronnen und nach einem Zug durch die Wüste
in das gelobte Land gelangt sind, haben die Auswanderer aus Europa auf Gottes
Gebot den Norden des amerikanischen Kontinents besiedelt. Dabei entspricht
dem Zug durch die Wüste ins gelobte Land die fortschreitende
West-Kolonisation. Suin nennt diesen Vorgang in Anlehnung an Kilpatrick das
"Bezwingen einer Wildnis".
Eine solche Herleitung des Projektunterrichts aus dem Kolonialismus, also
aus Völkermord, Landraub und anschließender landwirtschaftlicher
und infrastruktureller Kultivierung, ist in den Werken Deweys nicht
aufzufinden.
Im Gegenteil, in Deweys autobiographischem Aufsatz "From Absolutism to
Experimentalism"8, in dem er seinen
Denkweg von den ersten Berührungen mit der Disziplin Philosophie bis
zur Entwicklung seiner eigenen philosophischen Richtung beschreibt, stellt
er fest, daß das ausge-hende 19. Jahrhundert in den USA durch einen
radikalen historischen Wendepunkt gekennzeichnet ist. Die Pionierzeit sei
abgeschlossen, es beginne das Zeitalter der Wissenschaft. In diesen Sog
gerät dabei die Philosophie, die mehr und mehr von (natur)wissenschaftlichen
Fragestellungen, Methoden und Forschungsergebnissen geprägt wird. Sie
verliert die Unschuld metaphysischer Spekulationen und erhält im Zuge
der Verwissenschaftlichung der Welt Aufgaben.
Dewey unternimmt es, diese Neuorientierung der Philosophie systematisch
auszubauen und nennt seine Lehre folgerichtig "Instrumentalismus". Damit
ist nicht gemeint eine Beschränkung auf die instrumentelle Vernunft.
Vielmehr empfindet Dewey die moderne, schroffe Trennung zwischen "reinen
Wissenschaften" und moralischen Orientierungen als intellektuellen Skandal
und bezeichnet die Konstruktion einer einheitlichen Forschungsmethode für
beide Ebenen als dringlichste Aufgabe der Gegenwarts-Philosophie. Der Ort
der konkreten Problem- bewältigung schließt beide Ebenen zusammen.
So kann die Philosophie, in Verbindung mit den modernen Wissenschaften, Pfade
in die Zukunft eröffnen. Von daher leitet sich der hohe Stellenwert
des Projektunterrichts in Deweys Denken ab, weil er ebenfalls beide Ebenen
vermittelt.
Suin übersieht in Deweys Denkentwicklung die radikale Wende hin zum
Instrumentalismus einer wissenschaftlichen und moralischen Weltsicht, die
gerade ein Verlassen des politikgeschichtlichen Milieus seiner Zeit war.
Dabei hätte ihn auch eine methodologische Überlegung davon abhalten
können, eine Kontinuität von der christlich-jüdischen Offenbarung
bis hin zu pragmatistischen Erziehungsvorstellungen zu konstruieren:
Suin behauptet, daß die Gleichheit der Menschen als republikanisches
Ideal eine aufgeklärte Veränderung religiöser Vorstellungen
sei. In den nordamerikanischen Revolutionskämpfen habe sich eine Gleichheit
der befreienden Siedler herausgebildet durch die Zurückdrängung
religiöser Unterschiede in die Privat-Meinung. In der nationalen Ideologie
der Vereinigten Staaten sei damit die Gleichheit aller Menschen vor Gott
ein grundlegendes Element.
Unbestritten ist Gleichheit aller Menschen vor Gott eine Spezialform des
Universalismus (Geltung für jeden beliebigen Menschen), nämlich
die theologische. Aber die Gleichheit der sich im Denken Orientierenden,
am wissenschaftlichen Problemlösungsprozeß Partizipierenden und
ihre Erfahrungen Kommunizierenden, die Dewey im Auge hat, ist aus dieser
religiösen Gleichheit nicht herleitbar.
Vielmehr ist Dewey einer ausdrücklich antireligiösen
Aufklärungstradition verpflichtet. Sie ist an Wissenschaft orientiert
und besagt seit Descartes, daß nichts in der Welt Gültigkeit hat,
was nicht klar und deutlich dem Denken aus sich heraus, das bedeutet ohne
Offenbarung, einleuchtet.
Wenn wir uns fragen, ob Suins Eingliederung Deweys in die US-amerikanische
Zivilreligion nicht vielleicht die Projektpädagogik bereichert, könnte
man die Weckung emotionaler Energien durch religiösen Überschwang
als Positivum verbuchen. Da dies in der Praxis des Projektunterrichts bislang
keine Rolle gespielt hat, müßte Suin derartig mögliche
Vorzüge konkret ausarbeiten, um über das Stadium einer sehr
fragwürdigen Hypothese hinauszugelangen. Die Geschichte hat uns hinreichend
belehrt, daß, beflügelt vom religiösen Enthusiasmus, partikulare
Interessen sich selbst als universale mißverstanden und berechtigte
Ansprüche fremder Gruppen überwältigt haben in der Meinung,
das beste für alle zu wollen.
Festzuhalten ist, daß Suins Verankerung des Projektunterrichts in der
US-amerikanischen Zivilreligion eine Orientierung an der
V e r g a n g e n h e i t ist. Dewey dagegen geht es darum, neue Wege in
die Z u k u n f t zu eröffnen.
Eben diese Zukunfts-Orientierung hat Dewey als Philosophen existentiell getragen
und belebt, wie er am Ende seines autobiographischen Aufsatzes "From Absolutism
to Experimentalism" erklärt: "In any case, I think it shows a deplorable
deadness of imagination to suppose that philosophy will indefinitely revolve
within the scope of the problems and systems that two thousand years of European
history have bequeathed to us. Seen in the long perspective of the future,
the whole of western European history is a provincial episode. I do not expect
to see in my day a genuine, as distinct from a forced and artificial, integration
of thought. But a mind that is not too egotistically impatient can have faith
that this unification will issue in its season. Meantime a chief task of
those who call themselves philosophers is to help get rid of the useless
lumber that blocks our highways of thought, and strive to make straight and
open the paths that lead to the future. Forty years spent in wandering in
a wilderness like that of the present is not a sad fate-unless one attemps
to make himself believe that the wilderness is after all itself the promised
land."9
Paradoxerweise ist dieses Zitat wegen der Metaphern "Wüste" und "gelobtes
Land" für Suin Berechtigungsnachweis, Dewey in die US-ameri-kanische
Zivilreligion einzugliedern. Auf die Gefahr hin, beckmesserisch zu wirken,
möchten wir darauf hinweisen, daß man die zitierte Metapher
"wanderndes Gottesvolk" in Deweys Text vergeblich sucht. Sie ist eine Erfindung
von Suin.
Lassen wir die religiöse Verankerung jetzt beiseite und wenden uns der
Problemlöse-Methode selbst und ihrem erzieherischen Sinn zu, den Suin
mit dem Etikett "Vertrag" versieht.
Unter dem Stichwort "Vertrag" - sei es der des bürgerlichen Rechts,
sei es der den Staat und die Bürgerrechte konstituierende
Gesellschaftsvertrag - nimmt Suin die sozialisierenden Wirkungen des Unterrichts
auf die SchülerInnen als zukünftige
Staatsbürger/Gesellschaftsmitglieder in den Blick. Seine These: Der
traditionelle Unterricht erzieht zur Untertanen-Gesinnung, der Projektunterricht
zu Gesellschaftsmitgliedern, "die durch wechselseitige Absprache und
Verpflichtung ihre Verhältnisse und Beziehungen selbst
regeln."10
In der Tat lassen sich mehrere Aufhebungen der ideologischen und strukturellen
Sanktionen, bzw. Kontrollen der staatlichen Zwangsanstalt Schule während
einer Projektwoche feststellen:
die der inhaltlichen Vorgaben des Lehrplans,
die der zentralen Rolle des Lehrers als Vermittler des Lehrstoffes (er wandelt sich zum Berater und Helfer in Situationen, wo die SchülerInnen allein auf unlösbare Schwierigkeiten stoßen),
und seiner führenden Rolle als Regler der Arbeitsorganisation und der Disziplin (diese Funktionen fallen in die Regelungs-Kompetenz der Projektgruppe).
Es ist zu erwarten, so Suins Gedankengang, daß SchülerInnen, die
sich in solcher Weise selbst unterrichtet haben, im späteren richtigen
Leben zunächst in unterschiedlichen Gruppen sich selbst helfen, ihre
Angelegenheiten organisieren und sich die erforderlichen Kompetenzen selbst
aneignen, und nicht sogleich nach dem Staat rufen werden. Insofern ist der
Projektunterricht heimlicher Lehrplan für das Zurückdrängen
des Bevormundungs-Staates und die Einübung in die Verhaltensweisen einer
zukünftigen Zivilgesellschaft. Nun liegt der Wunsch nahe, durch einen
formellen Vertragsabschluß ("Projekt-Vertrag") den während einer
Projektwoche von SchülerInnen geforderten ungewohnten Verhaltens- weisen
Stabilität zu verleihen.
Die Anwendung der Vertrags-Figur11
birgt aber die Gefahr, das Individuum nur als abstraktes Rechtssubjekt
aufzufassen, damit den konkret strebenden Menschen aus dem Blick zu verlieren
und einen wichtigen Gewinn des Projektunterrichts wieder preiszugeben.
Unseres Erachtens wird in der Projektgruppe der äußere Druck der
staatlichen Anstalt Schule ersetzt durch den inneren Zwang, bzw. Druck des
von der Aufgabe Gepackt-Seins, nicht aber durch die Tatsache eines
Vertragsabschlusses.
Weil die Lehrerin, bzw. der Lehrer auf Grund seiner institutionellen Macht
niemals mit den SchülerInnen einen Vertrag als gleicher unter gleichen
abschließen kann, muß ein tatsächlicher Vertragsabschluß
als über reale Über-Unterordnungsverhältnisse täuschend
gesehen werden. Johannes Bastian hat dies in seinen Überlegungen zur
LehrerInnen-Rolle überzeugend
kritisiert12.
3. Johannes Bastian: Partielle Veränderungen in den
Rollen-Kompetenzen
Eine Vorüberlegung: Wenn man das allgemeinbildende Schulsystem eines
demokratisch verfaßten Gemeinwesens in den Blick nimmt, lassen sich
zwei Hauptfunktionen feststellen.
Die ideale Hauptfunktion läßt sich mit dem Ziel Selbständigkeit
(Mündigkeit, Autonomie) benennen. Das heißt, die Schülerin
soll erstens ohne fortwährende soziale Lenkung ihren Beitrag leisten
zum Überleben der Gesellschaft, zur Sicherung der materiellen Grundlagen,
und das ist aktive Teilnahme am Berufsleben; und zweitens selbständig
das kulturelle - humanitäre, moralische Niveau der Gesellschaft vor
einem Absinken bewahren und womöglich das kulturelle Niveau heben.
Die reale Hauptfunktion ist - verwirklicht insbesondere über das
Zensurensystem - die Vergabe von Vorteilen im beruflichen Konkurrenz- kampf
um Karriere, Wohlstand und Einfluß.
Beide Hauptfunktionen müssen sich nicht notwendig widersprechen, die
erste, ideale, kann aber durch die spezifische Verknüpfung des Lernens
mit der Benotung im traditionellen Unterricht durch die zweite gehemmt werden.
Die SchülerInnen lernen primär für die Noten, und solches
Lernen - das zeigt die Erfahrung - führt sehr häufig zum
Auswendiglernen zum Zwecke der Reproduzierbarkeit in der Prüfungssituation.
Und die SchülerInnen, die im Laufe der Jahre bemerken, daß sie
auf die Verlierer-Straße geraten sind, lernen eigentlich überhaupt
nicht mehr.
Eine Rückerinnerung zeigt, daß die ersten projektorientierten
Versuche sich aus der Not heraus entwickelten, demotivierte, schulunwillige
HauptschülerInnen überhaupt wieder für Lerntätigkeit
zu gewinnen. Das Unbehagen vieler idealistischer Kolleginnen und Kollegen
in ihrer Profession beruht u. E. im Kern auf der Rolle des Zensierenden,
Selektierenden.
Im Projektunterricht kann die Unmittelbarkeit der selektiven Funktion des
Lehrers zu Gunsten der Beurteilung der Gruppe und der Selbstbeurteilung
aufgegeben werden. Damit schwindet Aggressivität gegen die Person des
Lehrers als Treibender, Prüfender, Strafender und Langweiler.
Sind damit Lehrer und Schüler zu gleichberechtigten Partnern geworden?
Sicherlich nicht. Und ganz besonders Johannes Bastian erteilt in seinen Arbeiten
zur Lehrerrolle13 einer naiven
Verabsolutierung des Gleich- berechtigungs- und Partnerschaftszieles eine
Absage, indem er auf die nicht hintergehbare Überlegenheit des Lehrers
als Funktionär der staatlichen Institution Schule und als Lehrer mit
seinen Qualifikations-Vorsprüngen in den unterschiedlichen Bereichen
der Sachkompetenz und des methodischen Könnens verweist.
Dabei verbleibt er, insbesondere durch Rückgriff auf die Watzlawicksche
Kommunikationstheorie, im Feld von Lernen und Unterricht, ohne Erziehung
im engeren Sinn zu thematisieren.
Zugleich arbeitet er nun einen Vorzug des Projektunterricht heraus, nämlich
die Schülerbeteiligung insbesondere an Planung, aber auch Durchführung
und Auswertung des Unterrichts. In der Tat wird die Entwicklung - vor allem
kooperativer - Planungskompetenz im herkömm-lichen Unterricht wenig
gefördert.
In Anlehnung an einen Terminus von Jürgen Habermas tadelt Johannes Bastian
zu Recht, daß viele Kolleginnen und Kollegen ihre Tätigkeit als
"instrumentell-strategisches Handeln"
mißverstehen14. Nun ist die von
Habermas in unterschiedlichen Terminologien thematisierte Gedankenfigur (Arbeit
und Interaktion, teleologisches und kommunikati-ves Handeln) gut geeignet,
eine Bescheidenheit der lerntheoretisch verkürzten Gegenwartspädagogik
zu erläutern. Der von Habermas immer wieder traktierte Grundgedanke
besagt, daß es zwei zwar auf vielfache Weise vermittelte, aber nicht
von einander ableitbare Dimensionen des menschlichen Fortschritts bzw. der
Rationalisierung gibt: Zweckrationalität, bzw. Effektivität auf
der einen und Orientierung an der Gerechtigkeit, bzw. an hochrangigem Leben
auf der anderen Seite. Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns ist
in diesem Sinne eine Kritik an dem von Max Weber inspirierten
Rationalitätsbegriff als verkürzten.
Unabhängig davon, ob es Habermas gelingt, das Konzept der Zweck-
rationalität um eine auf Sprache aufgebaute Theorie des kommunikativen
Handelns plausibel zu ergänzen, wird in der Grundunterscheidung eine
alte philosophische Einsicht aktualisiert, die über Kants Trennung der
technischen bzw. politisch-pragmatischen und der moralischen Imperative
zurückreicht bis zur aristotelischen Unterscheidung von Herstellen und
Handeln15.
Ersichtlich hat auch Dewey in der bereits zitierten Stelle diese Grundunter-
scheidung im Blick, wenn er den Riß bedauert, der Wissenschaften und
Moral trennt. Es ist wichtig festzuhalten, daß es sich um eine
Unterscheidung des analysierenden Bewußtseins handelt. In der faktischen
Realität, in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, sind beide
Rationalitäten dergestalt verknüpft, daß die technische in
die moralische eingebettet ist. Freilich läßt sich die
Zweckrationalität durch Ausblenden der moralischen isolieren. Aber bei
den beteiligten Menschen stellt sich dann das Gefühl ein, daß
sich ein entscheidendes, wenn nicht sogar das ihnen wichtigste seelische
Streben übergangen wurde. In diesem Streben oder auch moralischem
Bedürfnis erleben sich alle Menschen als gleiche.
In der herkömmlichen Veranstaltung Unterricht bleibt das moralische
Bedürfnis zugunsten einer effektiven Übermittlung von
Lerngegenständen ausgeblendet und wird allenfalls Gegenstand der kognitiven,
wenn auch differenzierten Information über Normen und Werte.
Der Projektunterricht hingegen beansprucht und stimuliert beide Dimensionen
der menschlichen Vernunft, die zweckrationale und die moralische, wenn er
die SchülerInnen in ein reales gesellschaftliches Problem hineinführt.
In diesem Sinne reklamiert Manfred Huth den ungekürzten Sinn des
Projektunterrichts, wenn er in seiner Schrift "77 Fragen und Antworten zum
Projektunterricht"16 immer wieder betont,
Projektunterricht müsse politisch in die Realität eingreifen wollen.
So treffend einerseits Bastians Kritik an instrumentell-strategisch sich
verstehende LehrerInnen ist, so informations- bzw. lerntheoretisch verengt
ist andererseits sein Versuch, mit Hilfe von Begriffen der Watzlawickschen
Kommunikationstheorie den Partnerschafts- und Gleichberechtigungswunsch der
Projekt-Idealisten als "Sehnsucht nach Symmetrie" zu bezeichnen und abzuwerten.
Die spieltheoretischen Termini "Symmetrie" (zwei gleichstarke Konkurrenten),
bzw. "Komplementarität" (Beispiele: Arzt-Patient, Lehrer-Schüler)
sind nämlich explizit außermoralisch.
Wir zitieren Watzlawick: "Und schließlich kommen die
Begriffe der Symmetrie und der Komplementarität am nächsten an
den mathemati-schen Begriff der Funktion heran, da die Positionen der Partner
nur Variable mit einer unbegrenzten Anzahl von Werten darstellen, deren Sinn
nicht absolut ist, sondern sich nur aus der gegenseitigen Beziehung
ergibt."17 Bastian übersieht,
daß Lehrer und Schüler sich nicht nur funktional im Unterrichts-Spiel
ergänzen, sondern sich in ihrer (lebens-) geschichtlichen Einmaligkeit
als Persönlichkeiten begegnen.
In der Tradition der geisteswissenschaftlichen Pädagogik wird diese
sich in aller unterrichtlichen Tätigkeit mitvollziehende Begegnung der
"pädagogische Bezug" genannt. Hier ist das Bedürfnis, sich als
gleichbe-rechtigte Mitglieder einer innere und äußere Natur
kultivierenden Arbeitsgemeinschaft zu erfahren, unabweisbar.
Bastians Hinweis auf die institutionelle Machtbefugnis und die Sach- und
Methodenkompetenz berührt den Anspruch der dritten Dimension der
Lehrerrolle, die wir mit dem Ausdruck "pädagogische Tätigkeit"
fassen, in keiner Weise.
4. Die politisch-moralische Dimension des Projektunterrichts
Was hat die Lehrerin im Auge, wenn sie sagt, sie sei nicht nur Unterrichtende,
d. h. Vermittlerin von Wissensstoff auf lerntheoretisch hohem Niveau, sondern
auch Erzieherin, Pädagogin? Sie meint vermutlich die Erziehung zum
mitmenschlichen Verhalten.
Diese Erziehung läßt sich auf zwei Niveaustufen ansiedeln:
Die erste Stufe ist erreicht, wenn SchülerInnen sich an
Verhaltensregeln halten, die unerläßlich sind, um Unterricht zu
ermöglichen, und ihre Begründung finden im Recht jeder Schülerin
bzw. jedes Schülers, ungestört in der Klassengemeinschaft lernen
zu können. Damit ist ein Zustand erreicht, der in seiner funktionalen
und rechtlichen Normierung eine Minimalmoral darstellt. Und das ist freilich
nicht wenig, bedenkt man die Probleme, die sich der Praktikerin in der
gegenwärtigen Schule auf dem Weg dorthin entgegenstellen.
Erfahrene LehrerInnen bemerken nun, daß auch schon junge Menschen,
Kinder sich nicht damit zufrieden geben, nur als Rädchen im
Unterrichtsgetriebe gut zu laufen, sondern von sich aus selbst aktiv sein
wollen. Wenn SchülerInnen während des Lernens Perspektiven für
gesellschaftlichen Fortschritt entdecken und Fehler im bisherigen Denken
und Handeln durch offene, kritische Diskussion ausfindig machen, entsteht
für die Beteiligten ein Glücksgefühl, weil die gesellschaftliche
Realität eine Bewußtseins- und Handlungserweiterung über
das durchschnittlich Geforderte hinaus erfährt. Ein derartig aktiver
Beitrag zur Steigerung der Gemeinschaftsentwicklung befindet sich auf der
zweiten Niveaustufe der Erziehung zum mitmenschlichen Verhalten.
In diesem Sinne läßt sich auch Deweys Formel von "Erziehung als
Wachstum" verstehen - Wachstum in zweifacher Hinsicht als nicht von der LehrerIn
vorgegebene Bewußtseins- und Handlungserweiterung der lernenden
Gemeinschaft und als Ermutigung für den Einzelnen, sich selbständig
auf Neuland zu wagen. Ersichtlich läßt sich eine Selbstbegrenzung
der egoistischen Motive im Sinne der bloßen Nicht-Verletzung von Rechten
anderer (Niveaustufe 1) qualitativ nicht steigern.
Wir werden also von Dewey auf die zweite höhere Niveaustufe der individuellen moralisch-politischen Entwicklung verwiesen, weil sein Wachstumsverständnis nachdrücklich die ethische Dimension des Lebens einbezieht.
4.1 Herkunftsspuren der politisch-moralischen
Dimension
In Deutschland scheint die geisteswissenschaftliche
Pädagogik18 eine Spur zu dieser
höheren Niveaustufe zu legen, wenn sie darauf pocht, im pädagogischen
Verhältnis habe die Lehrerin, bzw. der Lehrer Anwalt der SchülerIn
zu sein. Damit ist zunächst die Aufgabe gemeint, das Kind und den
Jugendlichen vor den Ansprüchen der gesellschaftlichen Mächte (Kirche,
Parteien oder Verbände) zu schützen. Und mit dem Ausdruck
"pädagogischer Takt"19 wird der
LehrerIn zugemutet, diesen Schutz auch gegenüber der Schule selbst und
sogar gegenüber sich selbst zu gewährleisten.
Es ist nun wichtig, festzuhalten, daß nicht etwa die Kindlichkeit des
Kindes mit ihrem Charakter der Schwäche vor zu großen Anforderungen
über-haupt bewahrt werden soll. Vielmehr soll eine Stärke vor
Bevormundung geschützt werden, nämlich der Trieb, von sich aus
tätig zu werden bei der Bewältigung von Aufgaben.
Leider enthält die geisteswissenschaftliche Pädagogik, insbesondere
bei Herman Nohl, gravierende Schwächen.
Bei den sich aus kulturellen Objektivationen herleitenden Aufgaben
vernachlässigt Nohl die Tatsache, daß die Kulturgüter kein
unveränderliches Ideal darstellen, sondern sich in einem Prozeß
dauernder geistiger Auseindersetzung herausbilden. Selbst das Prinzip
fortschreitender Gerechtigkeit und Solidarität wird in politischen
Konflikten stets neu konkretisiert, d. h. korrigiert, präzisiert und
angereichert. Dabei liegt die geforderte Aktivität in der von der
Schülerin, bzw. vom Schüler verantworteten und angestrebten
inovatorischen Position innerhalb dieser Konflikte, und nicht in der bloßen
Hinnahme überindividueller Anforderungen.
Der von Nohl betonte Unterschied zwischen dem mechanischen Nachvollzug gestellter
Aufgaben und dem Verfolgen überindividueller Ziele von sich aus, ist
nicht in der Lage, über Anpassung hinauszuführen. Mit Nohls Theorie
läßt sich keine Ethik des Widerstandes bei SchülerInnen
begründen; denn das Zurückdrängen des kollektiv Schlechten
und Bösen bleibt in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik durch
ihre vornehme Distanz zu den realen politischen Konflikten ausgeklammert.
Besonders entlarvend sind in diesem Zusammenhang Nohls Schlüsselbegriffe
"geistige Führung", "Liebe und Autorität", "Liebe und Gehorsam"
und "... freie Aufnahme des Erwachsenenwillens in den eigenen Willen
..."20, die das Prinzip des
selbständigen Urteilens, der kritischen Prüfung von
Führungsansprüchen im politisch-moralischen Bereich ad absurdum
führen.
Daß die Exponenten der geisteswissenschaftlichen
Pädagogik21 Hitler und den
Nationalsozialismus zunächst begeistert unterstützt haben, liegt
also nicht nur in persönlicher Anfälligkeit, sich aus
Karrieregründen der politischen Macht anzudienen, sondern auch in einer
systematischen Schwäche ihrer Theorie: Von der Gehorsamshaltung
gegenüber einer mächtigen Person führt kein Weg zum Gehorsam
gegenüber dem Ideal der Gerechtigkeit. Letzteres ist nur geistig zu
gewinnen über
Gesellschaftskritik22.
Ein breiterer Rückblick in die Geschichte der erziehungswissenschaftlichen
Ideen und Programme zeigt, daß in bewußter Distanz zur etablierten
Pädagogik in den drei ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
Erziehungsziele entwickelt wurden, die für den Projektunterricht bedeutsame
Hinweise geben, ohne anfällig zu sein für bloße Anpassung
an überindividuelle Mächte (z. B. "die Nation", "das Volk") und
blinden Gehorsam gegenüber Führern. Insbesondere die Erfahrungen
in der Jugendbewegung haben einen für die individuelle und gesellschaftliche
Entwicklung bedeutsamen Sachverhalt ans Licht treten lassen.
Wird das Jugendalter in einer von schulischen, bzw. beruflichen Fesselungen
freien Zeitphase durchlebt, so entsteht natürlicherweise eine Objektivierung
der jugendlichen Energie in Form von radikaler gesell-schaftlicher Kritik
und Weltverbesserungsdrang. In dieser Objektivierung erlebt sich der Jugendliche
als Individuum, von dessem Bewußtsein und Veränderungswillen die
gesellschaftliche Umgestaltung in zweifacher Weise abhängt:
Erstens muß er persönlich es sein, der gegen den Strom
des Herkommens und des Herrschenden die neuen Ziele und Mittel des Lebens
durchsetzt; - ohne s e i n praktisches Engagement, das notwendig die Ablehnung
gesellschaftlicher Mißstände beinhaltet, wird sich nichts
ändern.
Zweitens weiß er, daß er als einzelner nichts zu ändern
vermag, weil ihm gebündelte gesellschaftliche Kräfte entgegenstehen.
Er muß sich mithin mit Anderen, innovatorisch Gleichgesinnten zu einer
Gruppe zusammen schließen.
Bekanntlich versuchen die herrschenden Mächte (Kirchen, politische
Organisationen, Konsum-Strategen der Wirtschaft u. a.) das jugendliche
Energie-Potential zu zerstreuen oder zu benutzen. Dabei bleibt der kritische
und gesellschaftverbessernde Impetus gewöhnlich auf der Strecke. Besonders
die an die Jugendbewegung anknüpfende Pädagogik hatte gesehen,
wie die konservative Gesellschaft durch die schulischen und beruflichen
Formierungen das jugendliche Protest- und Veränderungspotential zur
Konformität hin leitet.
Gleichwohl hat die Jugendbewegung aus sich selbst heraus nicht die Kraft
besessen, dem Gleichschaltungsdruck der Nationalsozialisten zu widerstehen.
So radikal sie sich auch auf dem Hohen Meißner-Treffen im Jahre 1913
in ihrer Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft gab, es handelte sich
nur um Realitätsflucht und verbale Beschwörung von Autonomie und
Freiheit.
Distanz zur Gesellschaft läßt sich freilich auf zwei Weisen
verwirklichen, erstens durch allein besserwisserische Bewertung des Handelns
von Anderen und zweitens durch Vorlage von konkreten Gegenpositionen und
durch das Engagement für ihre Durchsetzung in der politischen
Öffentlichkeit.
Letzteres Moment findet man von dem Göttinger Philosophen Leonard
Nelson23 in seinen pädagogischen
Schriften formuliert.
Nelson ist als Pädagoge heute weithin vergessen oder unbekannt, obgleich
sich in den Werken Heinz-Joachim Heydorns prägende Bezugnahmen finden
lassen. Für Heydorn ist - neben Otto Rühle - Leonard Nelson der
einzige Erziehungswissenschaftler aus der Zeit vor 1933, der einer
Pädagogik der Zukunft wichtige und grundlegende theoretische Hinweise
zu geben vermag24.
Zunächst mahnt Nelson nachdrücklich an, nicht Erziehung in Unterricht
aufgehen zu lassen. In den Mittelpunkt von Erziehung nun stellt er die strikte
Orientierung an Recht und sozialer Gerechtigkeit. Ein durch Persönlichkeit
ausgezeichnetes Individuum strebt das Gute in der Gestalt fortschreitender
sozialer Gerechtigkeit an. Verantwortung wird dann angesichts dieses
Gerechtigkeitsideals übernommen und nicht gegenüber staatlichen
und religiösen Mächten.
Aber die Bejahung eines Gerechtigkeitsideals führt nicht automatisch
zu tätiger Verantwortung. Erfahrungsgemäß nötigt
schulunterrichtliche Thematisierung in noch so freizügiger
Diskussionsatmosphäre nicht dazu, den behaglichen Bereich von
Bildungsschwärmerei zu verlassen.
Nelson hat in seinem Aufsatz "Vom Bildungswahn" der Arbeiterjugendbewegung
geraten, das Gerechtigkeitsideal in ihren konkreten Auseinandersetzungen,
bzw. sozialen und politischen Interessen aufzusuchen:
"Darum soll nach wie vor der politische Kampf im Vordergrund stehen. Davon
soll uns kein Bildungswahn abbringen. Will man ... überhaupt so hohe
Worte wie "Bildung" gebrauchen, so habe man den Mut zum Eingeständnis,
daß der Weg zu dieser Bildung für uns nur der des politischen
Kampfes sein kann."25
Nelson hat kaum Chancen gesehen, daß sich in der herkömmlichen
Schulpraxis ein lebendiger Wechselprozeß von moralischer Norm (als
Sittengesetz im Sinne Kants) und konkreter sozialer Veränderung vollziehen
läßt. Deshalb hat er sich in der Landerziehungsheimbewegung
engagiert26.
Leider hat Nelsons Tod 1927 verhindert, daß er die von ihm selbst
angestoßenen, praktischen Erziehungsversuche kritisch begleiten und
theoretisch weiterentwickeln konnte, und der Versuch (Walkemühle) wurde
1933 von den Nationalsozialisten gewaltsam beendet.
Wenn wir uns fragen, wie in der heutigen Schullandschaft Erziehung im Sinne
Nelsons praktisch verwirklicht werden kann, - also ohne in
"Bildungsschwärmerei" zu verfallen - so eröffnet eigentlich nur
der Projektunterricht hierfür
Möglichkeiten27.
Im Projekt stehen die Beteiligten durch die reale Situation und durch ihre
Aufgabe der Aufklärung über und Beseitigung von Ungerechtigkeit
im weitesten Sinne vor einer moralisch-praktischen Anforderung. Ihr Versuch,
die Realität zum Besseren hin zu verändern, verbindet das
Urteilsvermögen mit aktiven Affekten, so daß während der
Tätigkeit ein Glücks- und Selbstwertgefühl sich einstellt,
dessen Niveau im traditionellen Unterricht nicht erreicht werden
kann28. Diese Erfahrung stimuliert
den Antrieb, sich weiterhin auch im Erwachsenenleben aktiv zu engagieren
und sich nicht mit folgenloser Betrachtung der Dinge, wie sie nun einmal
sind, zu begnügen.
Den gegenwärtigen lerntheoretisch und soziologisch geprägten
Erziehungswissenschaften ist die Aufgabe der Lehrerin, bzw. des Lehrers,
zu erziehen, aus dem Blick geraten. Sie befassen sich mit der möglichst
reibungslosen Übermittlung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und
Orientierungswissen und geben sich damit zufrieden, daß der Schul-
abgänger die vom wirtschaftlichen und politischen System gegebenen
Anforderungen regelkonform vollziehen kann. Offenbar gehen sie davon aus,
daß sich die Entwicklung in der politisch-moralischen Dimension automatisch
mitvollzieht.
Oder sie entbinden die LehrerInnen von der Erziehungsaufgabe, weil sie -
durch die Rolle der Schule im Dritten Reich belehrt - zu Skeptikern geworden
sind. Tatsächlich wird damit die Schülerin bzw. der Schüler
dem freien Spiel der einflußreichsten gesellschaftlichen Mächte
überlassen.
U. E ergibt sich solch resignativer Verzicht auf Erziehung nicht notwendig. Wie oben bereits angedeutet birgt der Projektunterricht Chancen, daß Schülerinnen und Schüler sich beim Lösen einer Aufgabe in der Realität als autonome Personen erleben.
4.2. "Persönliche Verantwortung"
Man kann diese Vorzüge des Projektunterrichts zusammenfassen unter dem
Oberbegriff "persönliche Verantwortung", die sich in unterschiedlichen
Anspruchsfeldern verwirklicht. Fünf davon wollen wir skizzieren. Wir
weisen nicht mehr eigens durch Konfrontation mit dem Regel- unterricht daraufhin,
daß dort die Entwicklung der angesprochenen Charakterkräfte kaum
bzw. gar nicht geweckt oder gestärkt wird. Das springt beim Lesen von
selbst in die Augen.
Erstens: SchülerInnen übernehmen Verantwortung für den
gesellschaftlichen Fortschritt.
Vorausgesetzt, daß im Projekt ein Nutzen für andere durch
Beseitigung eines gesellschaftlichen Mißstandes erreicht werden soll,
stoßen die SchülerInnen in der Ursachen-Erforschung auf
Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen - durch Privilegien oder
Gleichgültigkeit -, die sie durch ihr Handeln beseitigen wollen.
Die Aufgabe der LehrerInnen besteht vor allem darin, Projekte so zu konturieren,
daß die Erkenntnis der gesellschaftlichen Ursachen im
Problemlösungsprozeß notwendig wird. Der Bau eines
Fahrradanhängers für den persönlichen Gebrauch z. B. enthält
keine Aufforderung, sich verkehrspolitisch zu engagieren. Hingegen
schlüsselt das Projekt "Verkehrsberuhigung" einer gern in schneller
Fahrweise benutzten Unfall-Straße ein Problem auf in Gruppeninteressen
und ihre Berechtigungen, kommunale Verteilung von Finanzen und politische
Machtverhältnisse, Bündnispartner, zu überwindende
Widerstände, die Zukunft der Umwelt usw.
Erfahrungsgemäß wird der Einsatz für das Gemeinwohl von den
SchülerInnen als freies Geben ihrer Kräfte und Fähigkeiten
an Andere erlebt und nicht als staatlich erzwungenes Opfer, wie zum Beispiel
jetzt in die Schule zu gehen, als Erwachsener Steuern zu zahlen oder Wehrdienst
abzuleisten.
Zweitens: SchülerInnen üben verantwortlich Kritik.
Ein bekannter und häufig beklagter Mißstand unserer Gesellschaft
ist, daß durch die Medien menschliches Fehlverhalten und ungerechte
Verhältnisse aufgedeckt und angeprangert werden, aber die Verbesserung
der Zustände von anderen gefordert werden bzw. im Appell, "Da
müßte man ..." stecken bleiben. Noch so kritische Information
führt nicht automatisch zum persönlichen Einsatz, während
der Projektunterricht über die nur Besserwisserei hinausführt.
LehrerInnen müssen also dafür Sorge tragen, daß das Projekt
wirklich eingreift. Oft wird dieser Eingriff schon aus Zeitmangel nur darin
bestehen, den Betroffenen Ergebnisse zur weiteren Nutzung zur Verfügung
zu stellen oder Verantwortlichen (z. B. Abgeordneten, Verwaltung o. ä.)
auf die Füße zu treten. Dies aber ist das Minimum, damit das bequeme
Verharren im Zustand der bloßen Besser-Informiertheit überwunden
wird.
Drittens: SchülerInnen übernehmen Verantwortung für die
Gruppe.
Projektunterricht, darauf hat Dewey besonders hingewiesen, ist Lernen einer
in sich demokratisch strukturierten Gruppe. Alle Mitglieder bestimmen den
Arbeitsprozeß, das heißt, sie sind verantwortlich für sein
Gelingen und müssen entsprechend die Aufgaben nach Stärken und
Schwächen der Einzelnen unter sich aufteilen. Sie sind aber auch für
das Gruppenklima verantwortlich und müssen die attraktiven und unange-nehmen
Arbeiten gerecht verteilen.
Außerdem ist psychologisches Einfühlungsvermögen für
einander gefordert, damit niemand ausgegrenzt oder überfahren wird.
LehrerInnen haben in diesem Verantwortlichkeitsfeld eine Supervisions- aufgabe
und müssen SchülerInnen ermutigen, ihre Kritik an dem Verhalten
anderer Projekteilnehmer zu äußern bzw. sich der Kritik durch
andere zu stellen. Vielleicht macht die Devise, "in einer Projektgruppe gibt
es keinen Befehlsnotstand", deutlich, um welche Anforderungen es geht.
In den im Projektverlauf immer wieder eingeschobenen Phasen der
"Bestandsaufnahme" darf also nicht nur die Frage gestellt werden: "Wie weit
sind wir bereits gekommen und wie sehen die nächsten Schritte aus?",
sondern auch: "Wie gehen wir miteinander um?"
Viertens: SchülerInnen verarbeiten ihr Scheitern.
In hierarchisch oder autoritär strukturierten Arbeitsprozessen wird
Scheitern erlebt als eigene Unzulänglichkeit gegenüber den Leitenden
oder als Folge eines Fehlers einer übergeordneten Instanz. Anders in
der Projektgruppe: Das Scheitern konfrontiert die Fehler der Beteiligten
mit ihren eigenen Vorgaben und mit enthusiastischer Falschschätzung
der Realität.
Man muß hier im Auge behalten, daß auch im ganzen erfolgreiche
Projekte Momente des Scheiterns enthalten, deren produktive Verarbeitung
den Projektweg korrigierend weiter bestimmt. Häufig ist durch die
schulorga-nisatorisch bedingte Zeitbegrenzung ein vollständiges zu Ende
Führen des Projektes nicht möglich. Deshalb ist der
Abschlußbericht an außerschulisch Betroffene oder Projektgruppen
späterer Zeit, die sich dem Thema erneut zuwenden, sehr wichtig. Dieser
Bericht muß auch die eigenen Fehler dokumentieren.
Man könnte vielleicht sagen, daß der Erfolg eines Projektes zu
allererst in der erfolgreichen Aufklärung der eigenen Irrtümer
und Irrwege besteht, denen man sich gewöhnlich nicht gerne stellt: "Was
haben wir falsch gemacht?" und "Wie könnten wir oder andere bei der
Fortsetzung unseres Weges die Fehler vermeiden?" - Erst wenn SchülerInnen
gelernt haben durch den Projektverlauf, sich furchtlos diesen Fragen zu stellen,
ist das Projekt erfolgreich gewesen.
Oft wird der hier formulierte Anspruch, - eigene Fehler eingestehen und produktiv
für die Zukunft verarbeiten, nur annäherungsweise erreicht. Aber
im Schulalltag bietet eigentlich nur der Projektunterricht dafür Chancen.
Die erzieherische Pointe von Deweys "trial and error" Prinzip der experimentellen
Methode liegt im Gewinn und Wachsen des Mutes, sich den eigenen Fehlern
zuzuwenden.
Fünftens: SchülerInnen bedenken die "Folgekosten".
Wer in die Realität verändernd eingreift, hinterläßt
Folgen, die nach dem schulorganisatorischen Ende des Projektes weiter wirken.
Wie andere mit dem durchs Projekt in Bewegung Gesetzten und auf den Weg
Gebrachten umgehen, ob belastende Aufgaben entstehen, ob das Projektziel
versandet, instrumentalisiert und vielleicht in sein Gegenteil verkehrt wird
- diesen Fragen muß sich die Projektgruppe stellen und womöglich
das Projekt gegen Mißbrauch und ungewollte Nebenwirkungen immunisieren.
Wahrscheinlich wird man nie ganz verhindern können, daß z. B.
eine politische Partei ein Umweltprojekt für ihre Selbstdarstellungszwecke
vereinnahmt. Doch soll sich eine Projektgruppe diese Möglichkeit
vergegenwärtigen und z. B. durch offenes Ansprechen gegenüber den
Parteivertretern einer Instrumentalisierung des Projektes vorbeugen.
Die politischen Tendenzen auch im Schulbereich, eine "public-privat-partnership"
insbesondere über Sponsering29
zu etablieren, erfordern in Zukunft erhöhte Aufmerksamkeit.
Gewöhnlich endet das Verantwortungsbewußtsein bei unseren Intentionen
und unmittelbaren Tätigkeiten. Der Projektunterricht bietet die Chance,
auch die Nach- und Nebenwirkungen zu reflektieren, die nicht mehr in unserer
direkten Verfügungsgewalt sind.
5. Schlußbemerkung
Bei oberflächlicher Betrachtung mag es so aussehen, als handele es sich
bei der von uns aufgeführten Verantwortung der Schülerin bzw. des
Schülers für die im Projekt ablaufenden Lern- und Wirkprozesse
um ein der gegenwärtigen pädagogischen Diskussion geläufiges
Thema. Daß anders als im traditionellen Unterricht SchülerInnen
in einer offenen Lernsituation Verantwortung für die eigenen
Lernvorgänge übernehmen, indem sie die Planung und Durchführung
einer Unterrichtseinheit hinsichtlich der Konkretisierung und Ausgestaltung
der Ziele, der Abfolge einzelner Lernschritte, der Materialbeschaffung,
-auswertung und -verarbeitung, des Lerntempos, der Präsentation und
auch der Leistungskontrolle und -bewertung so weit wie möglich in die
eigene Hände nehmen und der Lehrerin bzw. dem Lehrer eine mehr
unterstützende und moderierende Funktion zufällt, ist im letzten
Jahrzehnt als "innere Schulreform" von den KollegInnen schrittweise erprobt
und in den Schulalltag eingeführt worden. Die erfahrenen erfreulichen
Auswirkungen auf Arbeits- bereitschaft, Entkrampfung des
Lehrerin-Schülerin-Verhältnisses, Lernleistungszuwachs, Erhöhung
der Kreativität usw. sind lerntheoretisch dokumentiert, analysiert und
begründet, so daß Projektunterricht, offener Unterricht und Freiarbeit
eigentlich nicht mehr unter Rechtfertigungs- druck stehen. Man kann diese
methodischen Erweiterungen des traditionellen Unterrichts zu Recht unter
dem Titel "Erhöhung der Verantwortung des Lernenden für sein Lernen"
zusammenfassen.
Dabei hat die willkommen breite wissenschaftliche Durchleuchtung und Fundierung
der beschriebenen Tendenzen in lerntheoretischer Perspektive aber verdeckt,
daß der Projektunterricht Chancen für das Erzieherische, das ins
Spiel und in Ernst bringen von Verantwortlichkeit, bereithält, die
über das unterrichtliche Interesse am eigenen Lernen hinausgeht. Zugleich
wird das selbständige Lernen nicht überflüssig und KollegInnen
sollten es, wo immer möglich, im Regelunterricht stattfinden lassen;
denn ohne diese Fähigkeit wird eine erfolgreiche Bewältigung der
Projektaufgabe unmöglich. Die "Autonomie der Lernerinnen und Lerner"
ist unerläßliche Voraussetzung der Autonomie der im Projekt
Handelnden.
Damit nimmt die Verantwortung der Lehrerin, bzw. des Lehrers, qualitativ
zu, weil sie als Pädagogin für eine begrenzte Zeit den
Spielraum-Charakter von Schule aufhebt. Die SchülerInnen verändern
ein Stück Realität und müssen für ihre Einwirkungen
einstehen. Einen realitätsgerechten Mut dafür auszubilden ist eine
SchülerIn-Leistung, die von der LehrerIn zugelassen, bestätigt
und stimuliert werden muß.
Freilich nicht in beliebiger Weise und Stärke. Die Lehrerin. bzw. der
Lehrer muß aufkommenden Enthusiasmus der Lerngruppe auch immer wieder
hemmen, damit die SchülerInnen in reflektierender Diskussion ihr Vorgehen
und auch ihre Ziele bewerten und ggf. korrigieren. Ein Beispiel:
Die Unterstützungsaktionen etwa für nicaraguanische Schulen mit
Containern voller Kleidung, Spiel- und Sportgeräten, Heften, Schreibstiften,
Tafeln usw. schädigen einheimische Kleinunter- nehmungen und Kooperativen.
Daß gut gemeinte Spenden negative Auswirkungen auf die Selbsthilfe
haben können, ist oft nicht von vornherein zu erkennen, so daß
die Lehrerin bzw. der Lehrer solche systematischen Widerhaken für das
Bewußtsein in die Diskussion einbringen muß, solange sie nicht
von den SchülerInnen selbst kommen.
Auch daß ein Projekt derart Raum für kritische Für- und
Wider-Diskussionen gibt, macht diese Unterrichtsform erzieherisch wertvoll
über Effektivitätswirkungen hinaus.
An den hier skizzierten Anforderungen, die im Projekt an die Lehrerin, bzw.
an den Lehrer im gesteigerten Ausmaß herantreten, läßt sich
sehen, daß wir keinesfalls das von Johannes Bastian auf unterrichtlicher
Ebene abgewiesene Partnerschafts-Ideal nun auf erzieherischer Ebene anstreben.
Es geht auf letzterer nicht um schrittweise Annäherung an den Zustand
der moralischen Persönlichkeit durch Abbau diesbezüglicher
Lehrerdominanz. Dies war ja gerade der Fehler Herman Nohls, den Aufbau und
die Übung des moralischen Bewußtseins nach dem Muster eines
bestimmten, schrittweise sich vollziehenden Lernvorgangs in einem Fachgebiet
zu denken.
Moralische Kompetenz wird nicht durch kontinuierliche Anreicherung bis zu
einem Endziel (Schulabschluß) hin aufgebaut. Sie liegt bei Schuleintritt
in Kern- und Grundstruktur vollständig vor, und die Schule hat die Aufgabe,
sie durch Übung auf ein höheres Niveau zu heben.
Herkömmlicher Unterricht kann zwar die moralische Urteilsfähigkeit
schulen, aber keine Gelegenheit zur steigernden Übung des Willens selbst
bieten. Er erzwingt Disziplin, die allenfalls begründet wird durch den
Hinweis auf das Recht der anderen, ungestört lernen zu
können30. Damit ist aber die Absicht,
den Nutzen anderer zu befördern und zugleich eigennütziges Begehren
niederzuhalten, noch nicht im Willen verankert.
U. E. bietet allein ein Projekt mit dem Ziel, anderen das Leben zu erleich-tern,
die Möglichkeit, politisch-moralisches Verhalten der Niveaustufe 2 zu
üben. Man könnte auch sagen, daß im Projekt so etwas wie
die Freude am Aufbau einer gerechteren Zukunft erfahren wird.
Dies wird nur gelingen, wenn die Lehrerin, bzw. der Lehrer zu einem guten
Teil ihre wertindifferente Moderatoren-Rolle aufgibt und sich als
politisch-moralisch handelndes Wesen in den (Projekt)-Unterricht einbringt.
Damit kann sie auch nicht durch Lernmaschinen jeglicher Art ersetzt werden
und gewinnt vielleicht selbst eine Freude an der Schule, die in
herkömmlicher Unterrichtsweise wenig aufkommt.
----------------------
Anmerkungen:
Ein aktueller Versuch dazu ist das Buch "Theorie des Projektunterrichts" von Johannes Bastian, Herbert Gudjons u. a. (Hg). Hamburg 1997
Dewey steht mit seinem geschichtsphilosophischen Denken in der Nähe einiger Kernvorstellungen von Karl Marx über das kapitalistische Zeitalter: Irgendwann verändert die technologische Weltbemächtigung der industriellen Gesellschaft die traditionellen Strukturen und Werte und fegt alles beiseite, was ihr Fortschreiten stört.
John Dewey: Demokratie und Erziehung. Braunschweig 1964, 3. Auflage - Fritz Bohnsack formulierte diesen Titel in seiner Dewey Biographie folgerichtig um zu der Kurzformel "Erziehung zur Demokratie".
Sicher ist staatliche Demokratie ein notwendiger Rahmen für gesellschaftliche Demokratie; für Dewey war erstere seinerzeit, - anders als für uns Deutsche damals - kein Problem mehr. Aber eine demokratische Gesellschaft? Sie war - in den USA Ende des letzten Jahrhunderts - weit und breit nicht zu sehen.
Aus "Leben des Galilei" von Brecht.
John Dewey: Demokratie und Erziehung. Braunschweig 1964, 3. Auflage, S.8.
Rober N. Bellah: Zivilreligion in Amerika und Religion und Legitimation der amerikanischen Republik. In: Heinz Heger, Alois Müller (Hg): Religion des Bürgers. München 1986.
John Dewey: From Absolutism to Experimentalism. Zitiert nach dem Reprint in: John Dewey: On Experience, Nature and Freedom. New York, 1960.
John Dewey: From Absolutism to Experimentalism. Zitiert nach dem Reprint in: John Dewey: On Experience, Nature and Freedom. New York, 1960, S. 3 -18.
Bernhard Suin de Boutemard. In: J. Bastian und H. Gudjons (Hg): Das Projektbuch. Hamburg,.1986, S. 68
Der Vertrag - als der bürgerlichen Rechts oder als Gesellschaftsvertrag - sichert durch Androhung von Sanktionen das gemeinsame Handeln angesichts konkret individueller unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher Interessen.
Johannes Bastian: Lehrer im Projektunterricht. In: J. Bastian und H. Gudjons (Hg): Das Projektbuch. Hamburg 1986, S. 31 f.
Besonders Johannes Bastian: Lehrer im Projektunterricht. In: J. Bastian und H. Gudjons (Hg): Das Projektbuch. Hamburg 1986, S. 28 ff. Und Johannes Bastian, Arno Combe: Lehrer und Schüler im Projektunterricht. In: J. Bastian und H. Gudjons u. a.(Hg), Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 1997, S. 245 ff.
Johannes Bastian, Arno Combe: Lehrer und Schüler im Projektunterricht. In: J. Bastian und H. Gudjons u. a.(Hg): Theorie des Projektunterrichts, Hamburg 1997, S. 248 .
Der Ausdruck "politisch" ist unser Zusatz. Kant spricht nur vom pragmatischen Imperativ. Wenn Politiker z. B. die Einkommensunterschiede in einem Gemeinwesen nicht zu groß werden lassen, um soziale Unruhen zu verhindern, folgen sie einem pragmatischen Imperativ.
Manfred Huth: 77 Fragen und Antworten zum Projektunterricht, Hamburg 1988. Vergl. außerdem: Herbert Stubenrauch: Projektorientiertes Lernen im Widerspruch des Systems. In: Redaktion b:c (Hg) Projektorientierter Unterricht, Weinheim u. Basel 1976, S. 9 ff. Und Gerhard Jürs, Klaus Tobel, Karlheinz Goetsch (Hg): Projekte an Hamburger Schulen. Hamburg 1990.
Watzlawick, P. u.a.: Menschliche Kommunikation - Formen, Störungen, Paradoxien. Bern, Stuttgart, Wien 1967, S. 71.
Diese Spur haben die geisteswissenschaftlichen Pädagogen, insbesondere Max Frischeisen-Köhler und Herman Nohl, gelegt. Max Frischeisen-Köhler: Philosophie und Pädagogik. Weinheim/Bergstraße, 2. Aufl. 1962. Hier besonders: Meister und Schüler ( S. 20 bis 35). Herman Nohl: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. Frankfurt/M 1957,
"Dieses eigentümliche Gegeneinander und Ineinander von zwei Richtungen der Arbeit macht die pädagogische Haltung aus und gibt dem Erzieher eine eigentümliche Distanz zu seiner Sache wie zu seinem Zögling, deren feinster Ausdruck ein pädagogischer Takt ist, ..." Herman Nohl: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. Frankfurt/M 1957, S. 137.
Herman Nohl: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. Vierte Auflage. Frankfurt/M 1957. Hier besonders: Der pädagogische Bezug und die Bildungsgemeinschaft (S. 130 bis 140).
Wolfgang Keim nennt in diesem Zusammenhang als besonders herausragende Repräsentanten der geisteswissenschaftlichen Pädagogik Herman Nohl, Eduard Spranger, Wilhelm Flitner und Erich Weniger. In: Wolfgang Keim: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Darmstadt Bd. 1, 1995, S. 173.
Nicht von ungefähr sind Versuche, den Gedanken der Erziehung gegenüber dem Unterricht stark zu machen, mit Unterwerfungsforderungen gegenüber Personen, wie sie etwa die konservative Kampagne des Bonner Forums "Mut zur Erziehung" 1978 formuliert hat, letztlich theoretisch und praktisch folgenlos geblieben.
Leonard Nelson: Gesammelte Schriften in neun Bänden. Achter Band: Sittlichkeit und Bildung. Hamburg 1971. Hier besonders: Vom Bildungswahn - Ein Wort an die proletarische Jugend (1922), S. 551-570. Außerdem: Leonard Nelson: Demokratie und Führerschaft. Zweite, um vier Anhänge erweiterte Auflage. Stuttgart 1927.
Vgl. Heinz-Joachim Heydorn: Bildungstheoretische Schriften. Bd. 1 bis 4 (Syndikat) Frankfurt 1979/1981. Hier besonders Bd. 2 (Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft), S. 257 bis 271. Außerdem Hans-Jochen Gamm: "Heinz-Joachim Heydorn ein deutscher Pädagoge". In: päd. extra 11/84, S. 12 bis 13.
Leonard Nelson: Gesammelte Schriften in neun Bänden. Achter Band: Sittlichkeit und Bildung. Hamburg 1971, S. 563.
Nelson hat das Landerziehungsheim "Walkemühle" im Jahre 1926 ins Leben gerufen. Anschauliche Informationen zu dem Erziehungsalltag findet man in einer Festschrift zu Ehren der Nelson-Mitstreiterin und Leiterin dieses Heimes Minna Specht. Vgl. Minna Specht: Erziehung und Politik. Verlag Öffentliches Leben, Frankfurt a. M. 1960, S. 369 f. Außerdem Alexander Dehms: Leonard Nelson und die "Walkemühle". In: Minna Specht und Willi Eichler (Hg): Leonard Nelson zum Gedächtnis. Frankfurt a. M. 1953, S. 265 f.
Die Forderung insbesondere von Herbert Stubenrauch und Manfred Huth, ein Projekt müsse politisch sein, d. h. in gesellschaftliche Konflikte eingreifen, bringt beide in eine Nähe zu Nelsons Position. Vgl. Anmerkung 16.
Die Lehrerin bzw. der Lehrer setzt ein vorläufigen Vertrauen in die eigenständige Urteils- und Handlungsfähigkeit der Schülerin bzw. des Schülers. Sie muß "nur" unreflektierte Spontaneität und selbstschädlichen die eigenen Kräfte überschätzenden Enthusiasmus hemmen. Sie hat gegenüber der zu lösenden Aufgabe in moralischer Hinsicht keine höherrangige Position als die Schülerin bzw. der Schüler.
Das jährliche Projekt "Schüler machen Zeitung in Hamburg" liegt in Anlage und Ausführung fast völlig in der Hand des Hamburger Abendblattes (in Zusammenarbeit mit der Vereinsbank Hamburg und Promedia). An vielen Hamburger Schulen ist Sponsering gang und gäbe (s. hlz 10/98 S. 38-39).
Dabei lassen wir den Zwang der anstaltlichen Organisation und der Selektions-Prozeduren hier unbeachtet.
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